Thomas Klinkel

„Arbeitskrise – Krisenarbeit“
Statement für Podiumsdiskussion am 10.05.03

Ich möchte im Vorfeld unserer anschließenden Podiumsdiskussion kurz auf einige Kernpunkte der aktuellen Diskussion um die Veränderungen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik eingehen, soweit sie die Bundesanstalt für Arbeit (BA) betreffen, und dabei die Position der BA bzw. des Landesarbeitsamtes (LAA) Hessen umreißen. Dabei beginne ich nicht mit dem in der Politik und Gesellschaft zur Zeit am heftigsten diskutierten Projekt, der Agenda 2010 der Bundesregierung, sondern mit der fast schon ein wenig in Vergessenheit geratenen Hartz-Kommission und der Umsetzung ihrer Vorschläge.

Ihre aus meiner Sicht wesentlichste Funktion hat die Hartz-Kommission schon jetzt erreicht.
Nämlich in unserer Gesellschaft die Sensibilität zu erzeugen, die notwendig ist, um das Problem „Arbeitslosigkeit“ nicht als ein Problem allein der unmittelbar Betroffenen wahrzunehmen, sondern als ein gesamtgesellschaftliches, und Veranstaltungen wie diese, zeigen den Erfolg.
Hartz selbst hat das mit dem Slogan „Der Arbeitslosigkeit ein Gesicht geben“ umschrieben.

Ich komme damit zum Stand der Umsetzung der Kommissionsvorschläge, wobei ich mich im wesentlichen auf zwei bis drei Elemente beschränken will, die insbesondere in Hessen Besonderheiten aufweisen:

Teile des Konzeptes sind schon umgesetzt, ohne dass dies in der Öffentlichkeit weiter wahrgenommen, geschweige denn, kontrovers diskutiert wurde.
Da gibt es den „job-floater“, der – wenn auch unter dem Namen „Kapital für Arbeit“ - bereits umgesetzt und sogar auf Ausbildungsplätze erweitert wurde. Desweiteren sind zu nennen: Die Pflicht zur frühzeitigen Meldung als Arbeitssuchender (§ 37b SGB III), die Mini-Jobs und die Ich-AG, die in erster Linie als Unwort des Jahres bekannt geworden ist.

Anders sieht es da schon mit den als Herzstück bezeichneten Personal-Service-Agenturen (PSA) aus, auf die ich aus gegebenem Anlass ein wenig ausführlicher eingehen möchte. Aus gegebenem Anlass deshalb, weil zu Beginn dieser Woche in Korbach und Wetzlar die ersten hessischen PSA ihre Arbeit aufgenommen haben. Nach Abschluss der Ausschreibungsverfahren der ersten Tranche werden zu Beginn der zweiten Jahreshälfte bundesweit PSA-Plätze für ca. 40.000 Arbeitslose (Hessen rd. 2300) zur Verfügung stehen. In einem zweiten Schritt werden dann noch einmal 10.000 Plätze für Jugendliche geschaffen, um einem der drängendsten Probleme unserer Tage, der steigenden Jugendarbeitslosigkeit, zu begegnen.

Im Prinzip funktioniert eine PSA folgendermaßen:
Der Arbeitslose tritt mit der PSA in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ein und ist damit nicht mehr arbeitslos. Er wird von dieser dann an andere Arbeitgeber mit dem Ziel verliehen, in einem der entleihenden Betriebe eine Festanstellung zu bekommen (Klebeeffekt).
Die PSA erhält von der Bundesanstalt einen degressiv gestalteten monatlichen Pauschalbetrag und für den Fall der Einmündung in ein Arbeitsverhältnis bei einem Entleiher eine ebenfalls degressive Erfolgsprämie. Der monatliche Pauschalbetrag wird in den ersten drei Monaten in Höhe des vollen vereinbarten Grundbetrages gezahlt und sinkt danach auf zunächst 75 % und nach sechs Monaten auf 50 % dieses Grundbetrages. Die Vermittlungsprämie beträgt in den ersten drei Monaten 200 % des Grundbetrages, für eine Vermittlung zwischen dem vierten und sechsten Monat 150 % und nach dem sechsten Monat 100 % des Grundbetrages. Dabei wird die Vermittlungsprämie in zwei Tranchen gezahlt. Die erste nach Aufnahme eines auf mindestens drei Monate angelegten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, die zweite nach einer Beschäftigungsdauer von sechs Monaten.

Hierbei kann man auch auf die Erfahrungen aus der vom LAA Hessen initiierten vermittlungsorientierten Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen, mit der es – wenn auch wegen des geringen Volumens der Maßnahme noch in relativ geringer Zahl (788 von 1.728 eingestellten Arbeitslosen / Stand Nov. 2002) - gelungen ist, Arbeitslose in nicht geförderte Arbeitsverhältnisse beim Entleiher zu integrieren.

Da mag es vor dem Hintergrund dieser bisher geringen Zahlen eher unrealistisch anmuten, auf diesem Weg eine spürbare Entlastung auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen. Doch sollte man sich davor hüten, in solchen neuen Wegen das Allheilmittel für einen schnellen Erfolg zu sehen.
Dreh- und Angelpunkt für eine Belebung des Arbeitsmarktes bleibt die konjunkturelle Situation.
Das werden wir auch und gerade beim Instrument der PSA erleben, denn wenn – wie zur Zeit – auch das Geschäft der etablierten Verleihunternehmen rückläufig ist, ist es schwierig über PSA auch schwerer vermittelbare Personen auf diesem Weg in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Ein weiteres zentrales Element der Überlegungen der Hartz Kommission ist die Bildung sog. job-center - ein Begriff der mittlerweile eine Vielzahl schillernder Facetten entwickelt hat. Im Hartz-Konzept wird hierunter die Zusammenarbeit aller Akteure des Arbeitsmarktes verstanden, während aufgrund der aktuellen Entwicklung hierunter momentan die Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialamt verstanden wird.

Die Gründe dafür, die Anstrengungen von Arbeits- und Sozialämtern zu bündeln, um eine Reduzierung der Zahl der Arbeitslosen zu erreichen, liegen auf der Hand. Um so verwunderlicher, dass sie bisher nicht zum Tragen gekommen sind.

Erste Erfolge in diesem Bereich zeitigen die gerade in Hessen sehr intensiv betriebenen Modellversuche, in denen sich beide Behörden auch unter Einbeziehung Dritter gemeinsam um eine Eingliederung ihrer (gemeinsamen) Klientel bemühen.
Zu nennen sind neben den fast flächendeckend eingeführten gemeinsamen Anlaufstellen von Arbeits- und Sozialämtern (z. Zt. 19), die von Landesregierung und Landesarbeitsamt initiierten vier Job-Offensiv-Center, in denen sich AA und Sozialamt seit Beginn diesen Jahres gemeinsam um die Eingliederung und Beratung ihrer (gemeinsamen) Klientel kümmern.
Daneben ist aber auch die Vermittlungs- und Beratungsagentur FAIR in Dillenburg zu nennen.

Bei all diesen positiven Entwicklungen darf man aber nicht die Schwierigkeiten übersehen, die die Zusammenarbeit beider Behörden mit sich bringt.
Diese liegen zum einen in alltäglichen Problemen, wie z. B. unterschiedlichen EDV-Systemen und Fragen der Personalausstattung; gesetzlichen Problemen, beispielsweise beim gegenseitigen Zugriff auf Daten, aber auch in den auf Seiten der BA zentralen und bei den Trägern der Sozialhilfe regionalen Strukturen.

Trotz aller Anfangserfolge darf dabei aber vor allem nicht übersehen werden, dass diese Modellprojekte, nicht die Ursache des Problems beseitigen, sondern nur die Symptome lindern können.

Die Ursache liegt nämlich in sich teilweise überschneidenden Zuständigkeiten für ein und denselben Kundenkreis mit sich teilweise überschneidenden Leistungsansprüchen und den daraus resultierenden Drehtüreffekten.
Abhilfe soll hier die für Anfang 2004 geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum sog. Arbeitslosengeld II bringen, einem weiteren wichtigen Element des Hartz-Konzeptes, aber auch der Agenda 2010.

Die Frage, wer künftig Träger der Job-Center sein wird, ist eng verknüpft mit der Frage, wem die Zuständigkeit für die Auszahlung des Arbeitslosengeld II zukommen wird und wird zwischen BA einerseits und den Trägern der Sozialhilfe in Teilen unterschiedlich beurteilt, wobei auch innerhalb der Sozialhilfeträger unterschiedliche Positionen vertreten werden.

Was die Position der BA angeht, möchte ich diese in einigen wenigen Kernsätzen festhalten:

Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe hebt die genannten Doppelzuständigkeiten auf, baut Bürokratie ab und führt zu mehr Effizienz und Bürgerfreundlichkeit
Menschen mit gleichen Problemlagen werden gleich behandelt
Die Übernahme aller erwerbsfähigen Arbeitslosen durch die BA, fördert deren
Integrationschance
Ziel des Umbaus der BA ist eine wettbewerbsfähige Agentur für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und kein Mega-Sozialamt
Die künftigen Job-Center bilden eine Teilfunktion des künftigen Arbeitsamtes und sind zuständig für alle erwerbsfähigen Betreuungskunden. Erwerbsfähig ist aus unserer Sicht, wer arbeitsmarktnah ist, d. h. eine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt hat, wobei die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit i. S. einer Chance auf Integration durch die BA erfolgen muss. Ein strittiger Punkt, da auf Seiten der Sozialhilfeträger befürchtet wird, durch die BA nur noch die besonders Benachteiligten zugewiesen zu bekommen, was aus deren Sicht zu einer neuen Drehtür führen könnte
Das Job-Center bietet aktive und passive Leistungen aus einer Hand
Ein Fallmanager koordiniert vermittlerische und unterstützende Dienstleistungen
Was die Rahmenbedingungen bzw. die Finanzierung angeht, hält die BA eine kommunale Beschäftigungsförderung weiter für notwendig und wichtig, wobei deren Arbeit stärker mit der aktiven Arbeitsförderung der BA im Sinne einer Arbeitsteilung zu verzahnen ist
Die Einrichtung von job-Centern darf für die Versichertengemeinschaft keine neuen versicherungsfremden Leistungen mit sich bringen

Kommen wir abschließend noch zum inneren Umbau der BA. Einiges von dem, was Hartz hierzu in sein Konzept übernommen hat, wurde bereits umgesetzt, so z. B. ein Anreizsystem für Mitarbeiter (§ 400a SGB III).
Was aber noch nicht umgesetzt wurde, findet sich nun, wenn auch in veränderter Form und mit Ergänzungen in der „Agenda 2010“.
Lassen Sie mich deshalb noch kurz unsere Position zu diesem Teil des Reformvorhabens der Bundesregierung skizzieren.

Die in der Agenda enthaltenen Zielsetzungen und Maßnahmen zum inneren Umbau der BA, aber auch die Maßnahmen zur Neuausrichtung ihrer Arbeit sind notwendig, um das Ziel, die Bundesanstalt zu einem modernen Dienstleister und einer wettbewerbsfähigen Agentur umzugestalten, zu erreichen.

Zu nennen sind hier insbesondere:

* Thomas Klinkel ist Referatsleiter Arbeits- und Ausbildungsvermittlung im Landesarbeitsamt Hessen, Frankfurt/ M.