KUNST UND ÖKOLOGIE 

Mehrere Fragen und Überlegungen und eine
möglicherweise überraschende These
 

von Thomas Röbke 


Die Zusammenstellung, oder besser schon: Zusammenzwingung so disparat erscheinender Bereiche wie Kunst und Ökologie rechtfertigt einige Lockerungsübungen. Kunst und Ökologie sind zunächst einfach Begriffe - freilich sehr gewichtige - die aneindergereiht wurden. Weil sie so abstrakt und so voll von Tiefe sind, vermutet man sogleich Zusammenhänge. Ob ihre Bedeutungen sich aber an einer wesentlichen Stelle berühren oder Familienähnlichkeiten aufweisen, ist nicht ausgemacht.  

Deshalb möchte ich mich zunächst um die Fragen bemühen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden können. Sich den Fragen zuzuwenden, kann dazu beitragen, Schichten unsinniger Antworten abzutragen, in der Hoffnung, zu einem festen Kern des Sachverhalts durchzudringen. 


Erste Frage: Gibt es einen ökologischen Epochenbruch, der seine Spuren in der Kunst hinterläßt? 

Das ökologische Problem ist wesentlich in unserer hochentwickelten Gesellschaft und für das menschliche Überleben insgesamt. Vernünftigerweise resultiert aus dieser Erkenntnis die Notwendigkeit, Politik zu ändern, die Voraussetzungen wissenschaftlichen Arbeitens neu zu überdenken, das Ingenieurswesen zu revolutionieren oder die Kreisläufe der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Verkehrs anders als bisher zu bestimmen. Warum soll das aber auch Auswirkungen auf die Kunst haben? Zwar ist Kunst aus eigenem Anspruch sehr sensibel für gesellschaftliche Veränderungen. Daher ist es eher die Regel, daß sich große gesellschaftliche Umwälzungen in der Kunst widerspiegeln, ja sogar ankündigen, wie der Übergang vom Rokoko zum Klassizismus im Zeitalter der französischen Revolution oder der Aufschwung der niederländischen Malerei nach der Befreiung vom spanischen Joch. In jedem gesellschaftlichen Wandel kann es aber Gebiete geben, die sich vorderhand gar nicht wesentlich verändern. So sind z.B. viele Elemente der Gebrauchsarchitektur aus den 20er Jahren in der nationalsozialistischen Diktatur einfach übernommen worden und haben bis in die Nachkriegszeit überlebt. (1)  Zudem ist unser klarer Blick auf Epochenbrüche, den wir heute haben, vor allem eine Retrospektion, die natürlich schon alles besser weiß. Viele vorhandene Genres (z.B. das Naturidyll) bestehen über derartige Einschnitte hinweg fort, so als ob nichts geschehen wäre, auch wenn wir heute dazu neigen, sie nicht Kunst, sondern Kitsch zu nennen. Ein Caspar David Friedrich, dem Zeitgenossen gar die Naturferne seiner Bilder (2)  vorwarfen, oder ein Egon Schiele sind für die Malerei ihrer Epoche erst im Nachhinein herausragend geworden. Andererseits: Wer liest heute noch Wilhelm Raabe oder Gustav Freytag, die doch lange als die Schriftsteller des 19. Jahrhunderts galten. Genies, schreibt Robert Musil zurecht, stellen den Geist ihrer Zeit dar, wenn auch wider deren Willen und Wissen. (3) 

Wenn wir heute also einem Epochenbruch beiwohnen sollten, der existentiell mit der ökologischen Frage zusammenhängt, so ist, auf den ersten Blick jedenfalls, keine an diesem Thema sich abarbeitetende ästhetische Strömung zu erkennen, so wie sie vielleicht letztmals beim Eindringen der Konsumwelt und Werbung in die Kunst und die darauf folgenden Auseinandersetzungen auftauchte, die für die Moderne des 20. Jahrhunderts konstitutiv wurden. Aber möglicherweise liegt dies nur an der beschränkten Sicht unserer Zeitgenossenschaft, die uns bisher den Einblick verwehrt. 


Erste Überlegung: Das Verhältnis von Ökologie, ästhetischer Wahrnehmung und Kunst 

Sicher ist hingegen, daß die ökologische Krise, die wir heute erleben, und das sich in diesem Kontext bildende ökologische Bewußtsein auf die ästhetische Wahrnehmung im weitesten Sinn Auswirkungen hat, wenn man sie ganz allgemein als Auffassungsgabe der Sinne begreift. (4)  Jeder weiß inzwischen, daß auch gesund aussehende Bäume krank sein können oder das Regenwasser, das auf sie herunterrieselt, giftige Bestandteile mit sich führt, die mit unserer antiquierten Vorstellung des lebenspendenden Elements nichts mehr zu tun haben. Auch wenn wir unser romantisches Naturverständnis bewahren wollen, so spüren wir doch insgeheim, daß die Selektionsleistungen unserer Wahrnehmung immer höher werden müssen, um dieses scheinbar einfache Gefühl zu erregen.  

Es wird noch verwickelter, wenn wir die uns vertrauten Referenzpunkte der Naturbetrachtung genauer untersuchen. Schnell stellt sich heraus, daß unsere so natürlich scheinenden Auffassungsformen von Natur selbst Resultat geschichtlicher Prozesse sind. Romantische Naturgefühle hatte ein mittelalterlicher Mensch, der die ihn umgebende Natur noch viel deutlicher als Gefahr wahrnahm, keineswegs. Offenbar gehört zur romantischen Aura der Natur eine andere Gefährdung, nämlich nicht durch, sondern jene der Natur selbst, die dem industriellen Fortschritt einverleibt wird. 

An diesem Beispiel zeigt sich, inwiefern Wahrnehmungformen der Natur und unser Bewußtsein dessen, was Natur überhaupt ausmacht, historischen Veränderungen unterworfen sind. Und darauf läuft die Fragestellung, ob es ein Verhältnis zwischen Kunst und Natur bzw. Ökologie gibt, ja eigentlich hinaus. Da unsere Art der Naturbetrachtung und der Stand der Naturzerstörung offenbar große Ungleichzeitigkeiten aufweisen, sind wir auf der Suche nach einer angemessenen Wahrnehmungsweise. Gibt es also Kunst, die unserer gewandelten Umwelt und unserer Stellung darin entspricht, und diesem Verhältnis eine allgemeingültige ästhetische Form geben kann? Die Frage geht eigentlich noch weiter, insofern sie auch auf eine Moral abzielt. Die Begriffsverbindung von Kunst und Ökologie insistiert ja nicht nur darauf, ob es uns gelingt, unsere Wahrnehmungsweise mit den tatsächlichen Gefährdungslagen des Lebens auf der Erde in Übereinstimmung zu bringen, sondern auch, welche Folgerungen für einen schonenden Umgang mit der Natur aus diesen Befunden zu ziehen sind. Diese normative Auffassung der Sinne geht über die reine Geschmacksbildung weit hinaus. Sie schließt dem Gedanken nach an die Frühschriften von Karl Marx an. Marx verstand den ersehnten Prozeß der Emanzipation auch als Aufgabe der Befreiung der menschlichen Sinne, die sich aus der Umklammerung durch das Privateigentum lösen - Marx spricht von den Sinnen des Habens - und den Schleier der Entfremdung von sich reißen. (5)  

In Anlehnung daran kann man in der Ästhetik Aufgaben der Ökologie entdecken. Das Stichwort wäre, zu einer Sensibilisierung gegenüber einer Umwelt beizutragen, die - neben sichtbaren Katastrophen - einer schleichenden Erosion und Zerstörung ausgesetzt ist, auf die unsere Sinne schlecht eingestellt sind. Wir fühlen ja oft einen inneren Widerspruch, als ob die Botschaft der Naturzerstörung in unseren Köpfen, aber noch nicht in unserer körperlichen und sinnlichen Disposition und den daraus resultierenden Verhaltsweisen angekommen sei. Diese Dissonanz ist ein Befund, den kritische Sozialwissenschaftler nach Tschernobyl und den Fortschritten der Gentechnologie gestellt haben, ein Phänomen, das Ernst Tugendhat lakonisch und treffend als „Vorurteile aus kognitiver Trägheit" bezeichnete (6):  Die Risiken, die unser Umgang mit der Natur hervorruft, stellen unsere Auffassungsgabe, Ursachen und Wirkungen zu erkennen und zu unterscheiden, vor neue Herausforderungen. 

Diese teils schwer entzifferbaren Prozesse der Naturzerstörung und des Naturzusammenhangs sinnlich erfahrbar zu machen, ist eine Aufgabe ästhetischer Erziehung, deren Methoden sich ja in den letzten drei Jahrzehnten enorm erweitert haben. Viele ihrer Projekte wurden eigens dazu entwickelt, diese kognitive Trägheit überwinden zu helfen. (7) Damit ist unsere Frage aber noch nicht beantwortet: Was hat die ökologische Krise und die Aufgabe, dafür Sensorien zu schaffen, mit Kunst zu tun? Zurecht hat Kunst ja eine gewisse Distanz gegenüber ihrer Indienstnahme für erzieherische Absichten, und seien diese auch die lautersten. Auch wenn wir den Ästhetikbegriff in einem normativen Sinn erweitern, bleibt ja immer noch die Suche nach dem, was das spezifische Phänomen der Kunst dazu beitragen kann. Wenn eine Jugendgruppe auf eine Insel fährt und Umweltverschmutzung hautnah erlebt, weil Jugendliche vom Barfußlaufen einen Ausschlag bekommen, dann können geschickte Pädagogen dies aufgreifen und einen wichtigen Lernprozeß damit verbinden. Wenn Museumspädagogen in einem Kindermuseum eine Ausstellung über die Wirkungen des Individualverkehrs konzipieren, dann verknüpfen sie damit die Hoffnung auf wichtige sinnliche Erfahrungen bei den Besuchern. Aber einen künstlerischen Werkprozeß kann man das nicht nennen.Andererseits ist die Poblematik der ästhetischen Wahrnehmung und Kunst innig verknüpft, aber eben nicht auf eine direkte, sondern eher vermittelte Weise, die es herauszuarbeiten gilt, wenn wir das Verhältnis von Kunst und Ökologie klären wollen. 


Erster Rückblick: Als interesseloses Anschauungsobjekt weckt Natur das Interesse einer Gesellschaft, die Lüge und Wahrheit nicht mehr unterscheiden kann. Natur wird zur Utopie 

Daß die Natur in ihrer Unmittelbarkeit als schön aufgefaßt werden kann, ist, wie oben schon angedeutet, Resultat historischer Prozesse und damit verbundenen Veränderungen der Wahrnehmung. „In Zeitläuften", schreibt Theodor W. Adorno, „in denen Natur dem Menschen übermächtig gegenübertritt, ist für’s Naturschöne kein Raum; agrarische Berufe, denen die erscheinende Natur unmittelbar Aktionsobjekt ist, haben, wie man weiß, wenig Gefühl für die Landschaft. Das vorgeblich geschichtslos Naturschöne hat seinen geschichtlichen Kern." (8)  Dieser Kern, der die Natur, vornehmlich die Landschaft als ein dem Menschen gegenübertretendes Panorama, in die verwandtschaftliche Nähe zur Kunst bringt, wird aber zugleich verdeckt, gerade um Natur zum ästhetischen Sujet zu machen: „Wie verklammert das Naturschöne mit dem Kunstschönen ist, erweist sich an der Erfahrung, die jenem gilt. Sie bezieht sich auf Natur einzig als Erscheinung, nie als Stoff von Arbeit und Reproduktion des Lebens, geschweige denn als das Substrat von Wissenschaft. Wie die Kunsterfahrung ist die ästhetische von Natur eine von Bildern." (9)

Die Stillstellung der Natur im Bild, die nach Adorno auf einen Entfemdungsprozeß zurückzuführen ist, macht sie als ein den menschlichen Zwecksetzungen entrückter Bereich paradoxerweise zum Vehikel der Hoffnung auf ein besseres Leben. Natur betrügt nicht, sie bildet keinen Besitz, kennt keine Herrschaft und Tyrannei: Das ist eine Vorstellung, die sich im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft zu festigen beginnt. Natur, das Andere der Zivilisation, wird zum Versprechen. Am berühmtesten ist sicherlich Rousseaus Ruf ‘Zurück zur Natur’ und sein Ideal einer naturgmäßen Erziehung, die er im ‘Emile’ darlegt. Aber die Spuren der Natursehnsucht sind im Zeitalter der Aufklärung überall zu finden: Der Mythos des edlen Wilden, der durch die Weltumsegler nach Europa importiert wird (10),  der englische Gartenbau, der seinen Siegeszug auf dem Kontinent antritt und die Symmetrie des Barock verdrängt; Watteaus und Fragonards Naturidyllen, die eine zum kindlichen Spiel zurückgefundene Gesellschaft freundlich umrahmen. Oder Mozarts Figaro, dessen humaner Ausgang nur durch jene Nacht unter freien Himmel ermöglicht wird, die die Ränkespiele der Dienstkemmenaten und Prunkräume des Rokoko annulliert und den einfachen Gefühlen und Gesten wieder Raum verschafft. (11)


Zweite Frage: Gibt es eine ökologische Wirksamkeit der Kunst? 

Man könnte sich folgende, ganz dumme Frage stellen. Ist Kunst ökologisch schädlich oder nützlich? Leistet sie für die De- oder Renaturalisierung unserer Umwelt irgendeinen wesentlichen Betrag? Sicher gab es ein Entsorgungsproblem, nachdem der Reichstag wieder enthüllt wurde. Christo hat, mögliche Kritik antizipierend, vorsorglich ein ausgefeiltes Recyclingkonzept für das verwendete Material erarbeiten lassen. Aber im allgemeinen ist Kunst ökologischer Schädlichkeit oder Nützlichkeit als eine Form oder ein Bereich menschlicher Erkenntnis eher unverdächtig. Im Gegensatz dazu stehen die Wissenschaften, die doch per se ‘unfertig’ sind, wenn sie nie einen, wenn auch geringen Beitrag zu technischen oder sozialen Anwendungen leisten. Weisen sie diese Wirksamkeit nicht nach, werden sie als Glasperlenspiel oder sinnloses Treiben im Elfenbeinturm verspottet. Die Kunst wird hingegen gerade dann verdächtig, wenn sie sich allzusehr auf einen irgendwie gearteten Verwendungszusammenhang einläßt. Dann trifft sie der Vorwurf der Kommerzialisierung oder Instrumentalisierung mit der vollen Wucht des Feuilletons. 

Mit anderen Worten: Weswegen bisher der Diskurs über Kunst und Ökologie so randständig geblieben ist, hat vielleicht seine Ursache darin, daß sie in keinem substantiellen Verhältnis zueinander stehen. Nicht alles, was uns interessiert, ist miteinander verknüpft. Wenn sich Kunst keinen äußeren Zwecken unterwirft und gerade daraus ihre Daseinsberechtigung schöpft, dann wird sie sich auch gegen ökologische Forderungen abweisend verhalten. 


Zweite Überlegung: Natur und Kunst eint eine merkwürdige gesellschaftliche Zuschreibung: Ihre Nicht-Instrumentalisierbarkeit 

Diese ‘Nichtbeziehung’ hängt aber noch mit einem weiteren Komplex zusammen, der uns, ex nagativo betrachtet, vielleicht doch einen interessanten Aufschluß über eine vorhandene Verwandtschaft von Kunst und Ökologie/Natur gibt. Die Adjektive schädlich und nützlich stammen aus einem Zusammenhang, der für Kunst, aber auch für eine ökologische Sicht der Welt eher unpassend ist. Die Freiheit der Kunst, sagt Walter Benjamin irgendwo, besteht gerade darin, nicht nützlich sein zu müssen. Sie kann also, muß aber nicht. Sie ist also weder an ein l’art pour l’art vollständiger (Schein-)autonomie noch an irgendwelche wirtschaftliche Verwertungszusammenhänge oder politische Ideen wesentlich gebunden. Gerade aus dieser Sperrigkeit gegenüber einer instrumentell gewordenen Vernunft erschließt sich für die Denker der Frankfurter Schule ein wesentlicher Zusammenhang von Kunst und Natur: beide gehören zur Residualkategorie des ‘Besonderen’, die sich der Rechenhaftigkeit der verwalteten Welt nicht unterordnet. Sie ragen aus dem Verblendungszusammenhang der kapitalistischen Gesellschaft, weitergehend: der Dialektik der Aufklärung (12), heraus und wecken Hoffnung auf eine andere Gesellschaft. So schreibt Jürgen Habermas in einer Interpretation des Benjaminschen Werks: „Die Kunst ist das Reservat für eine, sei es auch nur virtuelle Befriedigung jener Bedürfnisse, die im materiellen Lebensprozeß der bürgerlichen Gesellschaft gleichsam illegal werden." Und dazu rechnet Habermas neben dem „Glück einer kommunikativen Erfahrung, die den Imperativen der Zweckrationalität enthoben ist" vor allem den „mimetischen Umgang mit der Natur." (13)


Zweiter Rückblick: Die Krise der ‘unberührten Natur’ und ihre Auswirkungen auf die künstlerische Darstellung 

Dieses Glücksgefühl ist allerdings mehr als gefährdet, denn jener mimetische Umgang mit der Natur wird stets überformt vom übermächtigen instrumentellen Verwertungsinteresse, das die Natur den Zwecken der Mehrwertschöpfung und Profitmaximierung unterwirft. Die Entwicklung der Kunst ist davon nicht unberührt geblieben. So verweist die romantische Landschaftsmalerei auf diesen Zusammenhang des drohenden Naturverlusts, wenn etwa William Turner Eisenbahn und Dampfkraft zum Sujet einer sich auflösenden Wahrnehmung macht oder uns Caspar David Friedrich die kahlen, abgestorbenen Bäume in der Landschaft gleichsam als Botschafter und Chronisten einer zum Untergang verurteilten Welt vorstellt. Freilich sind beide einem eher metaphysischen Gefühl als einem Bewußtsein verschwindender Natur durch die Herrschaft der Industrie verpflichtet. Natur wird in der Romantik zum Symbol ‘gescheiterter Hoffnung’ (so der Titel eines der berühmtesten Bilder Friedrichs) oder des Abschiednehmens wie der Lindenbaum in Schuberts Winterreise, aber auch Sehnsucht und Aufforderung, das verlorene Arkadien wieder zu entdecken.  

Die Idylle ist bedroht: Das Vergessene wird zum Verdrängten und Ausgestoßenen, ja zum unwiederbringlichen Verlust. Jean Starobinski schreibt über das gefährdete Naturschöne im Übergang zum 19. Jahrhundert: „Die Landschaft widersetzt sich überall dort, wo die neuen Zäune entstehen, welche die Ertrag versessenen ‘agromanen’ Besitzer ohne Rücksicht auf die kümmerlichen Einnahmen der Armen aufstellen lassen... Nun muß man das ‘Malerische’ jenseits der zu gut bestellten Felder und auch jenseits der Gegenden aufsuchen, in denen sich die Industrie festsetzt. Denn der Eroberungsdrang des Menschen, seine Schmieden, seine Maschinen, verwunden und entstellen die natürliche Landschaft. Der traditionelle Ort der Idylle wird von einem Schauplatz der Harmonie zu dem des Konflikts. Der Rauch der Manufakturen zeigt an, daß der Mensch gegen die Natur Krieg führt. Man muß nach einer anderen Natur suchen, die noch unversehrt, abweisend und einsam ist, wo man keine menschliche Gegenwart antrifft. Man muß auf alle Gesellschaft verzichten und ein Wanderer, ein Verbannter werden, ein von der Welt abgesonderter Beobachter."  (14)

Die Suche nach entlegenen Alpentälern oder fernen Ländern, auf die Starobinski hier anspielt, erweist sich aber nicht lange als offenstehender Fluchtweg: Überallhin dringt die Industrie, überall zerstören ihre Schlote die Illusion landschaftlicher Unberührtheit. Dieses Verschwinden der Natur spiegelt sich auch in einer signifikanten Wendung des Naturverständnisses in der Philosophie: Hatte Kant mit dem ‘Ding an sich’ noch eine Grenze humaner Erkenntnisvermögen gesetzt und damit auch Natur jenseits menschlicher Schöpferkraft eine Daseinsberechtigung eingeräumt (wir können der Natur nur eine Zweckmäßigkeit ‘als ob’ unterstellen, schreibt er in der Kritik der Urteilskraft), so löst sich in der Hegelschen Identitätsphilosophie die Andersheit der Natur im Stufengang des Weltgeistes auf. Aus der Unmittelbarkeit wird das über die Tätigkeit des menschlichen Geistes Vermittelte, aus dem ‘an sich’ des Naturschönen, ein ‘für uns’. 

Auch der junge Marx vollzieht diese Wendung zu einem durch Arbeit vermittelten Stoffwechsel mit der Natur. „Die Sinne...verhalten sich zur Sache um der Sache willen, aber die Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst und zum Menschen." Marx Utopie zielt auf einen Prozeß der Vergegenständlichung und der unentfremdeten Arbeit, die gleichermaßen das Wesen des Menschen wie der Natur realisiert. Vollendeter Humanismus ist vollendeter Naturalismus und umgekehrt. Damit aber leugnet er einen Eigensinn der Natur, der außerhalb des Bereichs menschlicher Tätigkeit angesiedelt ist. Erst der reife Marx, so Alfred Schmidt in seiner grundlegenden Studie über den Begriff der Natur in der Lehre von Marx (15),  nimmt die Nichtidentität von Mensch und Natur ernst. Er vertritt die Auffassung, daß wir das Reich der Notwendigkeit, also auch des entfremdeten Umgangs mit der Natur, nie vollständig verlassen können. Dieses Reich aber gründet für Marx auf der Ungleichheit von Mensch und anzueignendem Material, mithin unserer Herrschaft über die Natur. 

Der fortschreitende Siegeszug der Industrie verändert auch die künstlerischen Darstellungen der Natur. Walter Benjamin hat in seinen Untersuchungen über Paris als Hauptstadt des 19. Jahrhunderts (16) auf ihren Doppelcharakter hingewiesen: Zum einen wird Natur der Industrie so vollständig unterworfen, wie in Grandvilles Phantasien einer ins Universum ausgedehnten Warenwelt, in der Planeten mit Brücken verbunden sind oder der Saturnring zum gußeisernen Balkon wird, auf dem die Saturnbewohner abends Luft schöpfen. Auf der anderen Seite wird die Natur in ihrer ganzen furchteinflößenden Größe mit den neuen technischen Mitteln so genau wie möglich nachgebildet und damit auch für das gefahrlose Vergnügen domestiziert. Sie wird in den Panoramen zur Volksbelustigung und zum Fluchtpunkt eines städtischen Bürgertums, das sich von täuschend echten Blitzen und dem simulierten Rauschen des Wasserfalls faszinieren läßt. In beiden extremen Polen wird die Bewußtseinslage des neuen urbanen Gesellschaft sichtbar: Die Unterwerfung der Natur als Notwendigkeit des Produktionsprozesses und das Klischee ihrer Unberührtheit als Freizeitwert. Jeder neue Disneyfilm beweist heute die emotionale Wirksamkeit und das Fortbestehen dieser beiden Auffangsweisen von Natur. 

Auch hier drängt sich eine augenscheinliche Parallelität zur Kunst auf, die mit der jeweils prekären Identität eines Bereiches zu tun hat, der vom instrumentellen Interesse des Kapitals wie überhaupt von äußeren Zwecksetzungen verschont bleiben soll: Zum einen entsteht ein Kult um die Autonomie einer reinen Kunst, die im l’art pour l’art des fin du siecle ihren Höhepunkt erreicht. Zum anderen äußern sich erste Formen einer Kultur- und Bewußtseinsindustrie, die mit dem Rohstoff künstlerischer Kreativität neue Märkte erschließt und auf die Indienstnahme der Kunst insistiert. Dieser Konflikt wird für die Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts seine besondere Sprengkraft entwickeln. 

Im Verlauf unseres Jahrhunderts scheint die Hoffnung auf grundlegenden Wandel, der sich in einer nicht-instrumentalisierten Kunst oder Natur ausdrücken soll, immer fragwürdiger, weil die Räume der Autonomie im enger werden. Die künstlerischen Darstellungen der Natur legen davon Zeugnis ab: Sie scheinen sich zunächst um eine Versöhnung von Natur und Zivilisation zu bemühen. So integriert der Impressionismus harmonisch - und nicht mehr mit der wilden Wucht Turners - Eisenbahn und Landschaft, Fabrikschlote und Blumenwiesen, Flußlauf und Eisenponton. Sein bevorzugter Ort wird der Garten, das in die Hügelkette eingeduckte Dorf, das bepflanzte Feld: Orte, an denen sich menschliche Tätigkeit und Natur fast organisch durchdringen. Der zeitlich folgende Jugendstil ornamentiert im floralen Stil die städtischen Gebäude und das darin befindliche Mobiliar. Er verwandelt Natur in ein symmetrisches Muster, das seine Wildwüchsigkeit vollends verloren hat. Für die Expressionisten wird hingegen die Erfahrung der Metropole, die die Natur aus sich aussperrt, wesentlich. Sicher zeigen viele ihrer Bilder eine Stadt voller Schrecken wie Ludwig Meidners ‘Apokalyptische Stadt’ oder die Café- und Bordellszenen Max Beckmanns. Aber das Abstoßende hat auch sein Faszinosum, so wie ja die überwältigenden Alpenschluchten etwas Furchteinflößendes und zugleich Anziehendes auf den Betrachter des frühen 19. Jahrhunderts ausübten. Noch deutlicher ist die thematische Hinwendung zur Stadt bei den Dadaisten: Ihnen ist sie nicht  nur Sujet (17). Sie erfanden und entwickelten mit ihren Collagen und Assemblagen zugleich Techniken , die dem zerstückelten und diskontinuierlichen Leben der Großstadt angemessen waren. Der Weg aber zur Harmonie der Landschaft wird immer schmaler. Bei ihren Ausflügen in die unberührte Natur (wie bei Pechsteins Palaubildern (18) oder Otto Müllers und Schmidt-Rottluffs ‘primitiven’ Landschaften) geraten die Expressionisten leicht ins Klischee des edlen Wilden und eines fragwürdigen Exotismus. 

Das ist sicher verkürzt, und es gibt stichaltige Gegenbeispiele wie die schönen ruhigen Landschaftsbilder Gabriele Münters oder Emil Noldes. Aber die Tendenz ist unübersehbar und korrespondiert plausibel mit den wachsenden Erfolgen der Naturbeherrschung. „Das Naturschöne", so Adornos Bannspruch über alle Versuche, es wieder zu beleben, „geht im Zeitalter seines totalen Vermitteltseins in seine Fratze über." (19) Kunst muß sich von ihm abwenden. „Wer vom Naturschönen redet, begibt sich an den Rand der Afterpoesie." (20) 


Dritte Frage: Wird Kunst zur Aufbewahrungsanstalt eines verlorenen Traums der Natur? 

Soll Kunst das Gedächtnisbild einer autonomen Natur speichern? Kann sie noch ein Ort sein, an dem die vergangenen organischen Muster des Lebens aufbewahrt werden? 

Zurecht stellt sich bei dieser Frage sofort Skepsis ein. Adornos Abscheu vor dem Fratzenhaften, das er mit Festhalten am unmittelbar Naturschönen in einer Zeit assoziiert, in der Natur dem Zugriff des Menschen vollständig ausgeliefert ist, verweist auf eine ‘politisch-ästhetische’ Erfahrung von Präfaschismus und Nationalsozialismus. Nicht nur die Wandervogel- und andere bündische Jugendbewegungen, sondern auch die mit ihnen verbundene Kunst eines Fidus oder anderer, die sich der Mittel des Jugendstils und des Expressionismus bedienen, exponieren Natur in einer neuen Symbolhaftigkeit des Archaischen: Deutscher Wald und deutsche Heide, das Volk als natürliche Schicksalgemeinschaft und ‘freies’ Naturerleben amalgamieren sich zu einer gefährlichen Blut- und Boden-Ideologie. Das 32. Kriegsheft der Monatszeitschrift ‘Wandervogel’, die kurz vor Ende des 1. Weltkriegs erscheint, bringt folgende, angesichts der Zeitumstände geradezu groteske Bildbeschreibung: „Es gibt ein köstliches Bild Moritz Schwinds. Im blumigen Waldesgrunde liegt im seligen Nichtstun der Siegfriedknabe. Lauschend blickt er zu den Sängern im Zweige empor. Und als er das Horn an die Lippen hob, verstund er der Vöglein Gesang." (21)


Dritte Überlegung: Natur als die Wiederkehr des Verdrängten, auch in der Kunst 

Dennoch scheint diese Kunst (oder Afterpoesie, wie es Adorno genannt hätte) auf eine emotionale Leerstelle zu zielen, die die Moderne offenbar nicht füllen kann. Ignorierendes Naserümpfen über derlei ‘Gefühlsschwulst’ und ‘Kitsch’ geht an der Sache vorbei. Walter Sedlmayr hat die spezifische Herabsetzung der Natur durch die Kunst des 20. Jahrhunderts als ihre konstitutionelle Schwäche identifiziert. Kunst sei geradezu der Gegensatz von Natur geworden. Dies illustrierend zitiert Sedlmayr Franz Marc: „Es gibt nur etwas, was nicht ganz Natur ist, sondern vielmehr ihre Überwindung und Deutung. Die Kunst. Die Kunst war und ist in ihrem Wesen jederzeit die kühnste Entfernung von der Natur und der Natürlichkeit." Noch drastischer formuliert der Dichter Guillaume Apollinaire: „Allzu viele Maler beten noch die Pflanze, die Sterne, das Wasser oder den Menschen an. Es ist Zeit zu beweisen, daß wir die Herren sind." (22) 

Sedlmayr haben diese Stellungnahmen zu seiner berühmten These vom ‘Verlust der Mitte’ inspiriert (23), die im Verschwinden des Organischen und der natürlichen Einheit des Lebens aus der Kunst begründet liegt. Die Moderne betone das Zerstückelte, Fragmentierte und Extreme wie in Picassos Portraits oder den Collagen des DADA. Dies münde folgerichtig in einer Ent-humanisierung der Kunst. „Die Verlagerung des Schwerpunktes des Menschengeistes zum Anorganischen hin - sein ‘Sich-Einlassen’ in das Anorganische - ist .. zweifellos eine kosmische Störung. Eine Störung sowohl im Mikrokosmos des Menschen, der nun jene geistigen Fähigkeiten einseitig entwickelt, die dem Charakter der anorganischen Welt gewachsen sind, unter Verkümmerung jener geistigen Organe und Fähigkeiten, die dem organischen Leben und dem Leben des Geistes entsprechen, als da sind, anschauliche, ganzheitliche, physiognomische und symbolische Erkenntnis. Als auch am anderen Ende eine Störung in den makrokosmischen Verhältnissen durch eine einseitige Protektion und Propagierung des Anorganischen, die sich in allen Lebensbereichen auswirkt, fast immer auf Kosten des Organischen, was bis zur ‘Verwüstung’ des Lebens führen kann - zum Beispiel in der buchstäblichen Verwüstung der den Menschen ernährenden Erde -, und auf Kosten des eigentlich Geistigen, das gleichfalls ‘verwüstet’ wird. Und schließlich in einer Fixierung des Menschen in der anorganischen Sphäre durch die Leugnung der Realität jener höheren Weisen des Seins.... Wenn also die Diagnose - zu der die symbolische Betrachtung der modernen Kunst notwendig hinführt - formal auf ‘Verlust der Mitte’ lautet, so lautet sie inhaltlich auf Hypertrophie der niederen Geistesformen im Menschen auf Kosten der höheren." (24)

Sedlmayr veröffentlicht sein einflußreich gewordenes Buch 1948, in einer Zeit also, als Werner Heldt seine ganz anderen Landschaftsbilder ausgebrannter Städte malt, die in ihrer Verlassenheit gleichermaßen auf den Anfang wie das Ende organischen Lebens hindeuten. Man denke an sein berühmtes Bild ‘Berlin liegt am Meer’: Wie eine Sintflut hat der Krieg die Werke der Zivilisation fortgerissen. Ob sich wieder neues Leben ausbreitet, ist fraglich. Auch Sedlmayrs Buch spiegelt dieses Zurückgeworfensein auf die pure Existenz. Insofern stellt seine These schon eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und ihren Folgen dar, wobei sie durch den Rückbezug in die Geschichte auch wieder relativiert werden: Wenn auch der einzelne Künstler sich gegen den Terror dieses Regimes gewandt haben mag, so besteht doch für Sedlmayr eine konsequente Verbindung zwischen ästhetischem Standpunktverlust und politischer Katastrophe. Kunst hat mit ihrer Tendenz, den Menschen und die Natur aus ihrer Mitte auszuscheiden, den Antihumanismus und den Antinaturalismus totaler Herrschaft vorbereitet oder doch zumindest begleitet. Die Begriffe, die Sedlmayr verwendet, verwandeln persönliches Verstricktsein und Verantwortung dabei wieder in natürliches Schicksal. Es ist wie ein Sündenfall, der sich bis auf die französische Revolution zurückverfolgen läßt (eine ‘kosmische Störung’). Ihn ungeschehen zu machen, das weiß Sedlmayr, also den Rückweg in die humanen Proportionen des Mittelaters und der Renaissance anzutreten, ist der Kunst versperrt. Sie kann höchstens das Bewußtsein bewahren, daß „in der verlorenen Mitte der leergelassene Thron für den vollkommenen Menschen, den Gottmenschen, steht." (25) 

Als Konsequenz bleibt nur der Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben. Kunst als Bewahranstalt einer besseren Vergangenheit, einer unberührten, vom Schöpfer geschenkten Natur. 


Dritter Rückblick: Natur zwischen Vernichtung und Kompensation - Die Ambivalenz modernen Naturverständnisses 

Sedlmayr setzt sich damit geradezu einer Kritik aus, die Herbert Marcuse zwar schon in den 30er Jahren vorformulierte, deren Wirkung aber noch bis zum Ende der 60er Jahre auf sich warten ließ: Der Rückzug der Kunst aus der Gesellschaft ist um den Preis ihrer Ideologisierung erkauft. Das Schöne, Gute und Wahre wird als autonome Wertsphäre zur Affirmation der bestehenden schlechten Wirklichkeit, die die Ausbeutung der Natur und des Menschen ungestört weiterbetreibt. Wenn Kunst nicht aus diesem, teils selbstgewählten, teils aufgezwungenem Getto herausfindet - hier weiß sich Marcuse mit der künstlerischen Avantgarde einig - dann wird sie sich der Instrumentalisierung nicht entziehen, sondern im Gegenteil ihre Autonomie verlieren: Sie wird zum wohlfeilen und wirkungslosen Feierabendvergnügen, bei dem sich jeder einbilden kann, ‘bei sich’ zu sein und es doch nicht ist: glücklich-unglückliches Bewußtsein. 

Das Schicksal dieser Entzweiung zwischen ästhetischer Autonomisierung und gesellschaftlicher Verwertung, das Kunst und Natur teilen, scheint sich gerade in der Auseinandersetzung mit der Rolle der Kunst im Nationalsozialismus, der ja einen ganz eigenen heroischen Naturkult (26) betrieb, zuzuspitzen. Die falsche Autonomisierung der Kunst landet so in der Affirmation des Bestehenden, weil sie eben jene Ressourcen, die Habermas oben als Emanzipationsversprechen bezeichnete, aufgebraucht oder unschädlich gemacht hat. 

Aber auch die Position Marcuses und der künstlerischen Avantgarde, die Grenzen zwischen Kunst und Leben niederzureißen, das wird sich später zeigen, war nicht unbedingt erfolgreich und vielleicht nicht minder fragwürdig. Ob es an einer inkonsequenten Umsetzung des Programms oder aber an einem von vorneherein schlecht-utopischen Unternehmen lag, daß Kunst sich nie vollständig aus ihrem gesellschaftlichen Sonderbereich lösen konnte, sei dahingestellt. Tatsache ist, daß die Entzweiung zwischen industriellem Fortschritt und Naturausbeutung einerseits, und den Glückansprüchen der Vergangenheit und der noch intakten Natur andererseits nicht nur nicht verschwunden, sondern sich eher noch verschärft hat. 

Diese Spaltung hat Odo Marquard in einer überraschenden Wendung dazu inspiriert, eine neue Kultur der Entzweiung endlich anzuerkennen und von den Utopien ihrer Aufhebung Abschied zu nehmen. In gleichsam säkularer Form tauchen einige Kernthesen Sedlmayrs wieder auf, nun aber pragmatisch gewendet und nicht mehr mit jener verzweifelten Melancholie, sondern in einer fast fröhlichen Akzeptanz des Unvermeidlichen: Wenn die Moderne aus zwei widerstrebenden Richtungen zusammengesetzt ist, jener, die das Vergangene und die Natur konservieren und jener, die industriell fortschreiten will, so schlägt sich das ganz selbstverständlich in Denkweisen und Institutionen nieder, die einerseits Traditionen zerstören und andererseits die verlorengegangenen Lebenswelten zu bewahren trachten. Dazu gehört auch das Gedächtnis einer ‘unberührten Natur’. Insofern hat sich für Marquard eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Wirtschaft und Kultur herausgebildet, die ja die Wünsche der Menschen abbildet. Niemand will doch auf die Segnungen der Moderne verzichten. Daß durch Fortschritte Liebgewonnenes verloren geht, nehmen wir in Kauf, und um den Schmerz zu lindern, erfinden wir Kompensationen, damit „sich das Ausgeklammerte und Ausgeschlossene ... in seiner Zugehörigkeit zur modernen Welt geltend macht: es kehrt - seinerseits modern - vielgestaltig wieder. Gerade weil die moderne Welt ‘geschichtslos’ wird, wird gerade modern das Geschichtliche zum großen Positivthema. Gerade weil modern die Wirklichkeit zum Objekt entzaubert wird, werden nun ihre faszinierenden Züge - ihre Schönheit - festgehalten durch die ‘ästhetische’ Kunst, die dafür modern erst entsteht. Gerade weil in der technischen Welt alles zum Artefakt wird, entsteht - von der spezifisch modernen Entdeckung der ‘Landschaft’ an - gerade ihr Sinn für die unberührte Natur..." (27)

Odo Marquard gelingt mit dieser Argumentation so etwas wie eine Dialektik des Affirmativen. Natursehnsucht und technischer Fortschritt sind zwei Seiten derselben Medaille und als Ausdruck der Gesellschaft auch Folge ihres ‘Systems der Bedürfnisse’. Eine Grenze der Entwicklung ist nicht abzusehen. So zieht Marquard nicht in Betracht, daß der technische Fortschritt einmal an einem kritischen Punkt anlangen könnte, an dem er alle Ressourcen aufgebraucht hat, die sich für die Kompensationen verlorener Natur eignen. Wahrscheinlich würde sich für ihn die Sehnsucht dann mit virtuellen Realitäten oder Center-Parks befriedigen lassen. 

Damit ist jede fundamentale Kritik am bestehenden System der Naturausbeutung vom Standpunkt her unmöglich gemacht. Genauer: sie ist schon von vorne herein systemimmanent gebändigt in Form von Kompensationsleistung und notwendiger Entzweiung, und die Kunst ist ihre Fessel. Die nicht instrumentelle, mimetische Seite des Naturverhältnisses wäre dann nichts weiter als das Palliativ eines unaufhaltsamen Fortschritts, der sich über seine Kosten selbst betrügt. Auch wenn die Kunst in dieser Perspektive ökologische Kritik üben würde, so wäre sie ja nichts weiter als funktional, weil sie ihren kompensatorischen Aufgaben gerecht wird. 

Marquard gibt dies auch zu und verweist darauf, daß andere Systementwürfe, die auf ein anderes Naturverhältnis zielten, gescheitert oder unrealistisch sind. Für ihn ist die positive Entzweiung zwischen traditionslosem Fortschritt und ästhetischer Kompensation der Wirklichkeit moderner Gesellschaften angemessen: Weder Kassadrarufer noch Utopisten werden dieser Wirklichkeit gerecht, mit der endlich Frieden zu schließen ist. Die Philosophie betreibt diese Desillusionierung im Grunde aber, ohne etwas anderes anbieten zu können als ein ‘Weiter-so’. 

Unbestreitbar ist diese Philosophie erfolgreich, weil sie nicht mehr gegen den Strom schwimmt oder gegen Windmühlen ankämpft, sondern sich den vorhandenen Antriebskräften anpaßt. Man kann sie verstärken oder einfach gewähren lassen. Eine Verbindung zwischen Ökologie/Natur und Kunst aber, die uns vorschwebte, ist damit ad absurdum geführt. Zurück bleibt das Gefühl, daß dieses ‘Weiter-so’ doch irgendwann einmal am Baum landet. Schon gehört man freilich zu den Kassandren, indem man dies denkt und davor warnt. 

Unerwähnt bleiben soll nicht, daß die von Marquard aufgezeigten Motive höchst real sind und zum erfolgreichen Rohstoff konservativer Strategen gehören. War den Linken doch jede Form von Kompensation von vorneherein suspekt und galt es im Prinzip, Einstellungen durch Aufklärung zu wecken, die den Gefährdungslagen und ‘objektiven’ Tendenzen angemessen sind (vom ‘an sich’ zum ‘für uns’ lautete die Parole nach Hegel), so bedienen sich konservative Politiker dieser Kompensationsformen ungeniert, ja geradezu in der aufrichtigen Erwartung, dadurch ein Stück Menschlichkeit und Natürlichkeit gerettet zu haben. Prototypisch war seit jeher die Politik der bayerischen Staatsregierung, die das Kruzifix in den Schulen verteidigt, den Museumsbau vorantreibt, ausgesuchte Naturstücke hegt und umzäunt, die Trachten schützt, ausgestorbenen Bräuche pflegt und zwar mit fast derselben Hingabe wie sie Autobahnen plant und die Durchsetzung der Gentechnologie oder Atomwirtschaft und das Abräumen damit verbundener ethischer Bedenken betreibt. Treffend hat Ulrich Beck diese Art von Politikstil ‘jodelndes High-Tech’ (28) genannt, wobei die Bezeichnung darüber hinwegtäuscht, daß es sich nicht um einen bayerischen Sonderweg handelt, sondern zum politische Repertoire zwischen Singapur und den USA gehört. 


Erste begriffliche Klärung: Von der Natur zur Ökologie 

Wir sind in einer ausweglosen Sackgasse gelandet, die zwischen Verzweiflung und Melancholie offenbar nur ein in der Anerkennung seines Unglücks glücklich zu nennendes Bewußtsein übrig läßt. Klar geworden ist, daß die geistigen Kräfte, die vom ästhetischen Naturbegriff ausgehen, im Schwinden begriffen sind und kaum mehr Ansatzpunkte für emanzipatorische Hoffnungen bieten. Ihre utopischen Energien sind verbraucht und selbst die Haltung des Schweigens über das Naturschöne, die Adorno noch als Ausweg nennt, erledigt sich von selbst, wenn es im lauten und bunten Treiben der Surrogate nicht mehr wahrgenommen wird. 

Perspektiven gewinnen wir erst wieder aus der Unterscheidung von zwei Begriffen, die ich bisher stillschweigend synonym verwandt habe: Ökologie und Natur. Im Grunde nämlich rührt das ökologische Verständnis gerade aus jenem Krisenbewußtsein des Natürlichen, das ich für die Ästhetik nachzuzeichnen versuchte. Die ökologische Betrachtungsweise reagiert ja auf einen Zustand, in dem Natur zum schwindenden und schützenswerten Gut geworden ist. Und sie versteht ‘Naturschutz’ nicht mehr als bloße Überlassung und Umzäunung von Reservaten intakter Umwelten, sondern als komplexen Vorgang, in dem die Angelegenheiten des Mensch mit der Natur vielfältig verzahnt ist. 

Mit Ökologie meine ich also ein Paradigma, eine Sicht der ‘Welt’ als komplexes System stofflich gebundener Kreisläufe, in denen der Mensch, quasi als Teil, aber auch wesentliche Weiche und Störung, sich verhalten muß, und zwar so, daß er die Reproduktion dieser Kreisläufe nicht auf Dauer durch sein Handeln oder Nicht-Handeln unmöglich macht. Dies weist auf den etymologischen Gehalt von Ökologie als einer Lehre vom Haushalten, die möglichst viele Einflußfaktoren, Nebenfolgen und Kontexte menschlichen Handelns berücksichtigt. 

Ich berufe mich dabei auf Gregory Bateson (29). Seine Vorstellung ökologischer Kreisläufe bezieht sich gleichermaßen auf einzelne Menschen wie Gruppen oder Kulturen, die in jeweils besonderen Beziehungen zu ihrer Umwelt stehen. Umwelt ist aber wiederum nur ein Kürzel für andere ökologische Kreisläufe, die ihren je eigenen ‘Gesetzen’ gehorchen. Im Grunde geht es Bateson nicht so sehr um die Frage, wie diese einzelnen Kreisläufe isoliert funktionieren, sondern wie ihre Schnittstellen und Übergänge zu anderen Kreisläufen beschaffen sind. Nehmen wir zunächst zwei Kulturen (30). Diese können sich in unterschiedlicher Weise zueinander verhalten. Entweder sie verschmelzen miteinander aufgrund einer harmonischen Zusammengehörigkeit ihrer Teilbereiche, was eher unwahrscheinlich ist. Oder sie eliminieren sich gegenseitig. Auch dies ist für unser Interesse wenig aufschlußreich. Wichtiger sind hingegen die Formen, die dazwischen liegen. Zwei Kulturen können sich z.B. symmetrisch progressiv differenzieren. Sie können in einen Systemwettlauf eintreten, in dem die eine Kultur versucht, die andere stets zu übertrumpfen. Oder sie differenzieren sich komplementär. Dies ist dann der Fall, wenn eine Gruppe immer die Erwartungen realisiert, die die andere Gruppe an sie stellt, z.B. deren Befehlen gehorcht oder sich ihrem Herrschaftsanspruch beugt. In beiden Fällen werden Kulturen ihre selbstregulativen Steuerungsformen zugunsten außengeleiteter Normen verlieren. Schließlich kann auch eine reziproke Beziehung bestehen, die den Austausch in den jeweiligen Kulturen durch besondere Kommunikationsformen so ausgleicht, daß sie ihre Identität bewahren können. Bateson spricht dann vom ‘Fließgleichgewicht’ einer Kultur, die es versteht, ihre Selbstregulation mit der Offenheit gegenüber anderen Kulturen in Einklang zu bingen. 

Für die ökologische Frage ist die letzte Variante natürlich die interessanteste. Nun tritt aber ein weiteres Problem ein. Da die Natur sich nicht wie Vertreter von Kulturen selbst artikulieren kann, kann sie auch nicht selbst in ihren Eigengesetzlichkeiten direkt verstanden werden. Was wir erkennen können, sind lediglich die Folgen, die unsere ‘Eingriffe’ in die Natur als ‘Reaktion’ hervorrufen. Daraus können wir dann bestimmte Schlüsse ziehen und ‘Naturgesetze’ definieren. Wir sollten uns, wenn wir ‘ökologisch’ denken, unseres Anteils an diesen Konstrukten stets eingedenk bleiben. Gerade dies aber ist nach Bateson ein wesentliches Versäumnis moderner Naturwissenschaften, die in ihrem ‘Wahn’ der ‘Objektivität’ die Genese ihrer Erkenntnisse leider verdrängt hat. 

Hierin besteht für Bateson nun das wesentliche Problem unserer ökologischen Verantwortung: Wir sollten es vermeiden, die eigene Logik umstandslos unserer Umwelt überzustülpen und unsere eigenen Interessen in die ‘Natur’ zu projezieren. Zweifellos haben wir damit Erfolg. Aber wir schaffen damit ständig sekundäre, von unseren eigenen Zwecksetzungen abhängige Kreisläufe. So zwingen wir letztlich alle anderen Lebewesen dazu, in Umwelten zu leben, deren Bedingungen wir diktieren. 

Ökologisches Bewußtsein versucht hingegen, eine Leerstelle zu bewahren, im Bewußtsein, daß wir auf lange Sicht verlieren werden, wenn wir versuchen, die Logik aller anderen ökologischen Kreisläufe unseren Zwecken unterzuordnen. Bateson unterstellt der Natur also keinen eigenständigen Subjektcharakter, gerade dies würde ja erneut in einer Hybris des Menschen enden, der in der Natur gleichsam ein vernunftbegabtes Gegenüber als sein Spiegelbild zu sehen glaubt. Er plädiert vielmehr für eine Selbstbeschränkung, die die Optionen für andere Lebensweisen offenläßt. Ein Zweites kommt hinzu: Wir müssen uns in unsrer Eigenlogik erkennen lernen, um Kommunikationsformen zu den ‘anderen Kreisläufen’ zu entwickeln, die prinzipiell für unterschiedliche Logiken offen sind. Nur so können wir vermeiden, uns selbst, sozusagen blind, absolut zu setzen. Gerade die Starrheit unserer eigenen Logik führt uns letztlich in psychische Widersprüche, die wir nicht lösen können. Da wir nicht allein auf der Welt sind, stoßen wir immer wieder auf Grenzen, die uns übergeordnete Kontexte setzen. Versuchen wir unsere eigenen Ansprüche ohne Rücksicht durchzusetzen, geraten wir letztlich in die Falle des ‘double bind’: Folgen wir der einen Regel, verletzen wir damit unwillkürlich eine andere. Einen Ausweg daraus gewähren nur Mentalitäten, die versuchen, mit verschiedenen Kontexten flexibel umzugehen. Statt Homogenität Ambiguität, statt Konsequenz Ironie, statt Herrschaftsanspruch Bescheidenheit (31). „Vor allem gibt es die Demut, und ich schlage sie nicht als ein moralisches Prinzip vor, das für sehr viele Menschen verächtlich ist, sondern einfach als einen Punkt einer wissenschaftlichen Philosophie. In der Zeit der industriellen Revolution war die vielleicht wichtigste Katastrophe die enorme Zunahme an wissenschaftlicher Arroganz. Wir hatten entdeckt, wie man Züge und andere Maschinen macht...und der abendländische Mensch sah sich selbst als einen Autokraten mit vollständiger Macht über ein Universum, das aus Physik und Chemie aufgebaut war...Aber diese arrogante wissenschaftliche Philosophie ist jetzt obsolet geworden, und an ihrer Stelle steht die Entdeckung, daß der Mensch nur ein Teil größerer Systeme ist und daß der Teil niemals das Ganze kontrollieren kann." (32) 


Zweite begriffliche Klärung: Vom Gegenstand der Darstellung zum Stil 

Eine zweite begriffliche Klärung ist notwendig, denn auch der andere Pol unserer Fragestellung, die Kunst, bedarf einer differenzierteren Betrachtung. Wenn sich Kunst in einem ganz allgemeinen Sinn mit dem Menschen und seiner Lebensform beschäftigt, ist ja die Ökologie zumindest ein Thema unter anderen. Wenn ich auch behauptete, daß man derzeit keine ‘ökologische Strömung’ in der Kunstszene ausmachen könne, so gibt es doch genügend Kunstwerke, die ein explizites ökologisches Sujet haben, indem sie z.B. auf Umweltverschmutzung hinweisen (man denke nur an Klaus Staeck) oder die Bedrohung der Natur durch den Menschen thematisieren. In Nürnberg wird z. B. jährlich ein Ökokunstpreis der Hausgerätefirma AEG ausgelobt. Betrachtet man die eingereichten Werke, so stellt man fest, daß sie sich überwiegend in einer besonderen Weise mit Ökologie auseinandersetzen. Sie wenden sich entweder kritisch, provokativ oder ironisch gegen den gedankenlosen Habitus des umweltzerstörenden Individuums oder die bedenkenlosen Strategien der Naturvernichtung durch die moderne Industrie. Die inhaltliche Aussage steht im Vordergrund, und vieles wirkt dadurch wie die Illustration irgendeines Merksatzes. Die Haltung bleibt, gerade weil sie inhaltliche Kritik übt oder ironisch sein will, gleichsam ‘parasitär’. Sie zielt nicht ins Zentrum der ‘Eigenkonstitution’ künstlerischer Werke. Mit anderen Worten: Sie berührt nicht die Ebene des ‘Stils’. 

Erinnern wir uns an die Collagen des DADA, etwa an die berühmte Sicht der Stadt in Paul Citroëns ‘Metropolis’. Hier ist eine Einheit von Form und Inhalt erreicht, die stilbildend wirkt. Das treibende und stoßende der Häuserblocks, das Schwankende der Straßen und Brücken, ihre willkürlichen Begrenzungen, dort, wo die Schere den Zeitungsausschnitt begradigt und fast brutal jeden organischen Zusammenhang unterbindet. Die gewählte Technik, die individuelle Ausführung durch den Künstler und die inhaltliche Aussage drücken stimmig eine neue Lebensweise zwischen Monotonie und Chaos, Schnelligkeit und Erstarrung aus, die mit bloßer Illustration einer Aussage nichts zu tun hat. 

Jenseits der Flüchtigkeit des Inhalts muß auf dieser Ebene die Frage nach einem Zusammenhang von Kunst und Ökologie ansetzen, um jene ‘Tiefe’ zu erreichen, die - wie wir gesehen haben - über mindestens ein Jahrhundert die Konjunktion von Natur und Kunst innehatte. Man könnte Stil als allegorischen Ausdruck einer Zeit betrachten, der identifizierbar ist und ihre ‘Atmosphäre’, ihren ‘Zeitgeist’ zu einer allgemeingültigen Form verdichtet. Man kennt seit Erwin Panofski (33) dieses Stilverständnis, das das Kunstwerk sozusagen zum Knotenpunkt von Zeitgeschehen, Sehgewohnheiten, Auseinandersetzungen mit historischen Traditionen und individuellen Fähigkeiten des Künstlers macht. Panofski ist in seinen ikonologischen Untersuchungen diesen Verästelungen nachgegangen. So entwickelt er z.B. am Beispiel des Lebens und den politischen-ästhetischen Auffassungen des Abts Suger von St. Denis ein plastisches Bild gotischen Stils. Das Muster der Gotik, das er beschreibt, bestimmt das materielle Kunstwerk als Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde. Diese ‘Idee’ enthält Entscheidungen z.B. hinsichtlich der Bauart (nach oben strebende Pfeilerkonstruktionen, die den Himmel zu berühren scheinen; das Licht und damit die hohen Fenster, die eine neue metaphysische Funktion übernehmen) oder der verwendeten Materialien (das Wertvolle wird gerade zum Ausdruck der göttlichen Wertschätzung) getroffen. Dazu müssen nicht nur die Techniken erfunden sein, sondern es muß auch die Künstler geben, die sie beherrschen und Theoretiker, die ihnen Bedeutung verleihen (Nicht zufällig wird die Ile de France im 12. Jahrhundert zum Sammelbecken der unterschiedlichsten künstlerischen Talente, die nach Aufträgen suchen, und die Universität von Paris wird zum Anziehungspunkt von Gelehrten, die neue Interpretationsweisen der Religion verbreiten). Die Entfaltung eines neuen Stils umfaßt aber noch weitere Gesichtspunkte. Er impliziert vor allem eine neue Betrachtungsweise des Göttlichen und der Stellung des Menschen sowie der Kunst als Vermittlers in diesem Verhältnis. Nichts, so meinte Suger, „wäre eine größere Unterlassungssünde, als das vom Dienst an Gott und seinen Heiligen fernzuhalten, was nach seinem Ratschluß die Natur liefern und der Mensch vervollkommnen könnte: Geräte aus Gold oder kostbarem Stein, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen, goldene Leuchter und Altartafeln, Skultpuren und Glasmalerei, Mosaik- und Emaillearbeiten, glänzende Gewänder und Tapisserien." (34) Schließlich geht damit auch ein deutlicher politischer Funktionswechsel einher: Die Kirche beansprucht ganz selbstverständlich Einfluß auf weltliche Instanzen. Auch hier wird Suger als politischer Ratgeber, Friedensstifter und Vermittler zum Prototyp. Nicht nur die Kunst und ihr Reichtum, sondern auch der Landgewinn seiner Abtei und ihrer Gründungen unterstreichen weltlichen Machtanspruch. 

An diesem uns zeitlich fernliegenden Beispiel lassen sich die Elemente eines Stils deutlich erkennen: Ein politisch-ästhetisches Programm, das sich mit einer neuen historischen Rezeption von Kunst amalgamiert und sich von seinen Vorgängern deutlich und bewußt absetzt. Eine bestimmte Auswahl architektonischer und künstlerischer Formensprache bis hin zur Bevorzugung bestimmter Materialien und Techniken. In diesem Dispositiv entfalten Künstler nun ihre je individuelle Formensprache, aber sie werden nur wahrgenommen, wenn sie gleichsam ihre ‘Grammatik’ beherrschen. 


These: Es gibt eine frappierende Wahlverwandtschaft zwischen der Kunst der Moderne und ökologischen Betrachtungsweisen der Welt 

Nach diesen begrifflichen Klärungen läßt sich das Spannungsfeld von Kunst und Ökologie präziser darstellen. Die Frage lautet dann so: Gibt es ein identifizierbares Paradigma, einen Stil in der modernen Kunst, und wenn ja: welche Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten, Komplementaritäten oder Gegensätze bestehen zwischen ihm und der Ökologie als einem besonderen ‘Erkenntnismuster’ der Umwelt und der Rolle, die der Mensch in ihr spielt? 

Die Antwort, die ich im folgenden begründen will, lautet folgendermaßen: Ja, es gibt eine überraschende und frappierende Familienähnlichkeit (35). Um sie zu entdecken, müssen wir einen Blick auf die konstitutiven Stilmerkmale der Moderne werfen, die ich in zwei wesentlichen Punkten zusammenfassen will. 
  1. Die moderne Kunst des 20. Jahrhunderts zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie ein reflexives Verhältnis zu ihren Begründungen und Konstitutionsbedingungen entwirft. Sie zerrt, mit Adornos Worten, an ihrer eigenen Kette und will sich nicht mehr damit begnügen, als ‘Institution Kunst’ in Rahmenbedingungen eingefaßt zu sein, die sie von anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens abtrennen. Sie stellt ihre Grenzen als besondere Form menschlicher Erkenntnis bewußt in Frage. Sie fällt aus dem Rahmen. Das ist auch buchstäblich gemeint: Die Abbildung als das bevorzugte Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit wird zumindet durch neue Kunstformen (36) bereichert, wenn nicht abgelöst. Enviroment und Installation, Happening und Performance machen aber die Umwelt des Kunstwerks selbst zum Teil des Werkprozesses. Das Kunstwerk tritt aus seiner Singularität und Isolation und wird Teil eines größeren Ganzen, für das es Sensibilität wecken will.
  2. Damit ist im Grunde ein ökologischer Kern der ästhetische Moderne benannt, der aber von einem zweiten Stilmerkmal überlagert wird. Der Gestus der Grenzüberschreitung moderner Kunst ist nämlich nicht nur auf die Reflexion gesellschaftlicher Kontexte des Kunstwerks bezogen. Er bildet auch auf besondere, eben ästhetische Weise das Muster des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts ab. Und er unterstreicht durch das Stilmittel der Provokation einen politischen Anspruch, der sich heute nicht nur als gesellschaftlich fragwürdig, sondern auch ökologisch widersinnig herausstellt. Dieses Avantgardeverständnis der Moderne stößt neuerdings freilich auf Widerspruch, gerade weil die Suche nach Neuem, der Tabubruch oder der provozierende Akt zum Selbstzweck zu werden drohen. So formuliert etwa Bart de Baere an prominenter Stelle im Katalog der letzten Dokumenta: „Die Idee des ‘Neuen’ ist eine direkte Ableitung davon (der künstlerischen Kreativität,T.R.), ein Suchgerät, ein Mittel zur Entdeckung, das jetzt häufig seinen Bezug zu seinem Ursprung und seinem Sinn verloren hat. Es scheint mir präziser, von Wörtern wie ‘eigen’, ‘spezifisch’, ‘wirksam’ oder ‘zusammenhängend’ auszugehen, die einen konkreten Prozeß miteinbeziehen." (37) De Baere stetzt also auf ein Entwicklungskonzept von Kunst, das sich vom rein quantitativen Fortschrittsdenken wie den Moden des Marktes und seiner ‘Gier nach Neuem’ ablöst. Statt dessen konzentriert sich Kunst auf selbstregulative Prozesse, die sich nach qualitativen, dem ‘Gegenstand’ immanenten Prinzipien (‘eigen’, ‘spezifisch’) in ihren je besonderen Kontexten (‘zusammenhängend’) entfalten.

Damit wird der Blick auf eine ökologische Dimension in der zeitgenössischen Kunst frei. Es geht nicht um die ökologische Kunst, wie gesagt, damit wären wir nur wieder bei einem instrumentellen und ideologischen Mißverständnis gelandet; es geht vielmehr um eine bestimmte Sehweise, einen Stil, der unsere Sensibilität für ökologische Prozesse aufschließt. 

Diese beiden Punkte (mit dem letzten beginnend) will ich im folgenden näher ausführen und abschließend an ein paar Beispielen aufweisen, welche Gestalt ökologische Prozeßstrukturen und Denkmuster im künstlerischen Werk erhalten können. 


Vierte Überlegung: Die ökologische Dimension moderner Kunst wird da sichtbar, wo sie von ihrem Avantgardeanspruch Abschied nimmt 

Für die künstlerische Avantgarde hat der Reiz, ja die Notwendigkeit des Neuen immer eine wesentliche Rolle gespielt. Adorno und in seiner Nachfolge Peter Bürger (38), erheben sie zum Konstitutionsprinzip der Moderne, die sich der Logik der Warenform nicht entziehen kann, sondern deren Bewegungen mitmacht oder in ihr Gegenteil verkehrt, ohne sich tatsächlich von ihr befreien zu können. Beide beziehen sich auf Charles Baudelaire, der für sie so etwas wie den geistigen Urahn der Moderne darstellt. Für Baudelaire erwächst die Modernität aus der Verbindung des flüchtigsten Augenblicks und der Wahrheit des Archaischen. In den Signalen der Mode und der Suche nach dem Neuen und Unverbrauchten, die der Markt verlangt, erkennt der Künstler die Allegorien des Immergleichen (39). Das unterscheidet ihn vom reinen Müßiggänger, der sich nur passiv den Reizen des Augenblicks hingibt (40). Gerade das Neue gibt jene Frische des Ausdrucks, die der Künstler paradoxerweise braucht, um die ewigen Wahrheiten aufzuspüren. Er muß die gesellschaftlichen Konventionen sprengen und den Tabubruch begehen, um schließlich zum ‘anthropologischen Grund’ vorstoßen zu können. Der Lyriker und Essayist Joseph Brodski entziffert darin nicht nur eine Suche, sondern auch eine Angst des modernen Künstlers, nämlich dem Klischee, der Wiederholung zu verfallen. In fast apodiktischem Ton zerrt Brodski an diesen verborgenen Bindungen von Kunst und Fortschritt: „Ob es einem gefällt oder nicht, Kunst ist ein linearer Prozeß. Um sich vor Rückschritten zu bewahren, setzt die Kunst den Begriff des Klischees ein. Die Geschichte der Kunst ist geprägt von Hinzufügung und Verfeinerung, von Ausweitung der Perspektive menschlicher Sensibilität, von Anreicherung oder häufiger noch Komprimierung der Ausdruckmittel. Jede neu in die Kunst eingebrachte psychologische oder ästhetische Wirklichkeit ist für den nächsten Praktiker der Kunst schon alt. Mißachtet ein Autor dieses von Hegel etwas abweichend formulierte Gesetz, legt er für sein Werk automatisch den Status von Schundliteratur fest." (41)


Vierter Rückblick: Von der Erschlaffung des Fortschrittsdenkens in der Kunst 

Das Neue und der Fortschritt bilden den Bannkreis der Moderne, Grenzüberschreitung wird ihre eigentliche Bewegungsform. Freilich bezieht sich die künstlerische Avantgarde größtenteils negativ auf den technischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt, den vor allen voran die Wissenschaft postuliert (42). Sie ähnelt in dieser Hinsicht dem Atheismus oder Bewußtseinsformen religiöser Konversion, die doch in der Ablehnung dessen, was sie überwunden zu haben glauben, Merkmale des von ihnen Kritisierten weiter mit sich schleppen. 

Die Avantgarde ist eine Reaktion auf jene Welt, die in der Hegelschen Philosophie gleichermaßen vollendet und in statu nascendi vorlag, eine Welt, in der Industrie und moderner Nationalstaat zum Bewußtsein ihrer Selbst gekommen sind. Aber dies Erwachen endete im Alptraum. Die Versprechen, die das 19. Jahrhundert gab, werden im 20. Jahrhundert enttäuscht oder gebrochen. (43)

Die Rebellion der künstlerischen Avantgarde beginnt in einer Zeit, in der diese Versprechen wohl gebrochen scheinen, aber noch nicht ganz klar ist, warum dies geschah: Lag es an der halbherzigen Durchsetzung der Programme oder an diesen selbst? Ist der Fortschritt an sich zu verachten oder nur sein bürgerliches Korsett, das ihn mit Halbheiten und Vorbehalten einschnürt? Die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts entscheidet sich für die zweite Antwort. Sie radikalisiert die Versprechen des 19. Jahrhunderts in der Hoffnung, sie doch noch einlösen zu können. Grenzüberschreitung wird zum Gestus, weil augenscheinlich den Ordnungen, die Künstler in der bürgerlichen Welt vorfinden durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts ihre Rechtfertigung entzogen wurde. Der Dadaist Tristan Tzara schreibt angesichts des Grauens des ersten Weltkriegs: „Ehre, Vaterland, Moral; Familie, Kunst Religion, Freiheit, Brüderlichkeit entsprachen einmal menschlichen Bedürfnissen. Jetzt bleibt von ihnen nichts übrig als ein Skelett von Konventionen." (44) 

Der Versuch der Destruktion der bestehenden Ordnung will die getrennten Welten von Wissenschaft und Kultur, Individuum und Gesellschaft, vor allem aber von Kunst und Alltagsleben vereinen. Das Neue wird somit zum Medium der Transzendenz, und zwar auf eine andere Weise als der technisch-industrielle Fortschritt. Dieser beruht ja auf dem Gedanken, daß das positive Wissen und der gesellschaftliche Reichtum kontinuierlich und automatisch wachsen. Kunst will hingegen den säkularen Zwängen dieser verwissenschaftlichten und bürgerlich bequemen Welt entfliehen, um in neue geistige Ordnungen vorzudringen. Die Moderne konstituiert sich als ‘Antikunst’. Sie erkennt eben diese ‘Beschränktheit’ der Kunst, die vom Leben in einen Sonderbereich relegiert und damit ‘unschädlich’ und wirkungslos gemacht wurde. Der Dadaist Raoul Hausmann schreibt in seinem Pamphlet gegen die Weimarische Lebensauffassung: „Ich verkünde die dadaistische Welt. Ich verlache Wissenschaft und Kultur, diese elenden Sicherungen einer zum Tode verurteilten Gesellschaft... Wir wollen lachen, lachen und tun, was unsere Instinkte heißen. Wir wollen nicht Demokratie, Liberalität, wir verachten den Kothurn des geistigen Konsums, wir erbeben nicht vor dem Kapital... Wir wollen alles selbst schaffen - unsere neue Welt.... Der Dadaist ist gegen den Humanismus, gegen die historische Bildung. Er ist: für das eigene Erleben!!!" (45) In dieser Destruktivität prüft die Avantgarde sozusagen den Wert des Bestehenden auf seine Sinnfälligkeit. Sie macht tabula rasa, um wie Hans Arp sagt, eine neue irrationale Ordnung zu errichten oder auf dem Grund des Destruierten eine unbekannte Welt zu entdecken, die sichtbar wird, wenn der Abrißstaub sich gelegt hat. 

Dieses ‘Platz-schaffen’ ist janusköpfig. Es gibt kein analytisches Prinzip, das Erhaltenswerte vom Überflüssigen und Schädlichen zu trennen, das allgemein Menschliche vom historisch Habituellen, das Schicksalshafte vom Veränderungsfähigen. Beides ist der gleichen Geste der monotonen Zerstörung unterworfen. Greil Marcus hat in seinem Buch ‘Lipstick Traces’ diese Seite der modernen Kunst deutlich herausgearbeitet. Gerade in der Weigerung, der bürgerlichen Gesellschaft anzugehören und dem Versuch, sich über sie zu erheben, ereignet sich ein dialektischer Umschlag in ein neues affirmatives Verhalten. Der Punk unterliegt demselben ‘Gesetz’ wie der Situationist der 60er Jahre oder der Dadaist des beginnenden 20. Jahrhunderts. (Marcus 197) „Wenn wir die meist benutzte Straße verlassen...können wir aussteigen. Wir können das champ libre betreten, die freie Straße betreten, bei denen es sich in den meisten Fällen um die imaginäre Landschaft einer Parallelgeschichte handelt, früher das Reich von Ketzern, Alchimisten, Esoterikern und seit der französischen Revolution die Domäne politischer Verschwörungen und ästhetischer Avantgarden... vielleicht nichts weiter als ein Ort, wo Neinsager behaupten, der geschichtlichen Entwicklung voraus zu sein, während sie ein Rückzugsgefecht gegen sie führen, gegen die industrielle Revolution, gegen die Mittelklasse, die ‘Bourgeoisie’, den ‘Massenmenschen’; die treibende Kraft dieser Parallelgeschichte ist der schlichte Wunsch, aus der am häufigsten erzählten und am häufigsten verdammten Geschichte auszubrechen, um mit ihr so auf reisen zu gehen wie der Vogel auf dem Nashorn, der Wunsch des Neinsagers, der zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, um am Ende nicht auf den neuen Menchen, die neue Welt zu stoßen, sondern nur auf den kümmerlichen Rest von Sehnsucht, dank derer die Reise überhaupt erst unternommen wurde." (46) 

Ironischerweise wird die Avantgarde gerade durch ihre Verweigerungshaltung wieder von den großen gesellschaftlichen Wissensystemen funktionalisiert. Sie erhält die Nischenexistenz zugewiesen, der sie doch entfliehen wollte. Die Avantgarde destruiert zwar einerseits das positive Wissen, das ja unter anderem die Wissenschaft hervorbringt. Durch dieses Vorgehen verhilft sie aber - und so wird sie in die Gesellschaft ‘zurückgeholt’ - wieder zu neuen Erkenntnissen, die verwertbar sind. Indem sie Konventionen als solche dechiffriert, desavouiert sie gerade jenes Pseudowissen, das nur durch die historische Form aufrechterhalten wird. Insofern wird künstlerische Avantgarde so etwas wie eine Vorhut gesellschaftlichen Fortschritts, gegen den sie ihr ursprünglicher Impetus doch aufbrachte. Ja, sie kokettiert geradezu mit dieser Doppelfunktion. Gerade weil die Wissenschaft nur dann Wissenschaft ist, wenn sie Systemcharakter aufweist, kann ihr Fortschritt nur quantitativ sein, also die Phänomene mehr und mehr als ihren Gesetzen unterworfen darstellen. Sie braucht also einen ‘Pionier’ an ihrer Seite. Die Kunst kann die Grenzen zum Unbekannten überschreiten, mit Visionen gesellschaftliche Entwicklungslinien vorgeben, als Provokateur die Systeme sprengen, die sich überlebt haben, und Fragmente einer neuen Welt in die alte holen. Deshalb ist sie für den von der Wissenschaft als Paradigma entworfenen gesellschaftlichen Fortschritt nützlich. Sie ist aber auch gefährlich. Weil sie gefährlich ist, wird sie eben in besondere Rituale eingebaut, gegen die dann die Künstler wiederum rebellieren, indem sie versuchen, die Grenzen zwischen Kunst und Leben (wie die Dadaisten und Surrealisten) zu überschreiten. 


Fünfte Überlegung: Kunst und Wissenschaft als alternative Erkenntnisformen der Welt 

Der Stil der Moderne hat erstmals in der Geschichte der Kunst eine Dimension erreicht, die die ‘Institution’ Kunst selbst infrage stellt. Arthur Danto nennt dies: das Selbstreflexiv-Werden der Kunst. Damit wird eine Entwicklung der Neuzeit infrage gestellt, die sich mit der Ausdifferenzierung besonderer gesellschaftlicher Wissensyteme charakterisieren läßt. Im Bereich der Kunst erhalten sich Rituale, Mythen und religiöses Wissen sozusagen in säkularer Gestalt (47). Daneben entsteht aber als zweite, übermächtige Kultur die Wissenschaft mit eigenen Methoden und Theorien. Künstlerische Sichtweisen sind gewissermaßen Paradigmen, die aus dem kausallogischen, durch Experiment zu betätigenden Kanon neuzeitlicher Wissenschaft herausfallen. Die von Marcus aufgeführte historische Ahnengalerie entspricht diesem Bewußtsein des Ausgesperrtseins der Avantgarde und ihren romantischen Verwurzelungen. Meine Behauptung ist nun: Es gibt Anzeichen, daß sich moderne Kunst nach einer langen Phase, die über die Antikunst des DADA bis zum Gestus der Provokation der 60er und 70er Jahre hinzieht, tatsächlich einem Denken öffnet, das eine enge Verwandtschaft zur Ökologie aufweist. Wesentlich dafür ist die langsam erfolgende Abwendung vom ästhetischen Avantgardedenken und die Hinwendung zu einem neuen ästhetischen Prozeßverständnis. 

Hier ist es an der Zeit, Batesons Wissenschaftskritik wieder aufzugreifen und mit der Frage der Kunst als ‘Institution’ in Verbindung setzen. In dieser Richtung argumentiert Paul Feyerabend (48). Feyerabend unterscheidet zwei Auffassungen von Welt, eine der modernen Wissenschaft und eine der Kunst. Die Wissenschaft ist in ihrem systematischen Aufbau eigentlich nur zu einem additiven Fortschritt fähig. Sie durchdringt die unbekannten Phänomene und unterwirft sie ihren Gesetzen. Da sie alle anderen Wissenstraditionen an die ‘Wand’ spielen konnte, besteht nun der affirmative Mythos, sie sei die alleinige und objektive Grundlage allen Wissens. Allerdings überlebt gerade im Sonderbereich der Kunst (der ja auch als autonomer Bereich Resultat einer Ausdifferenzierung von Wissensystemen war und somit ein komplementäres Phänomen zur Wissenschaft bildet) eine andere Zugangsweise der Weltgewinnung: durch Abbildung, Mimesis (wir wir gesehen haben ein wesentlich emanzipatorischer Begriff in der Frankfurter Schule) statt durch Beherrschung und Unterwerfung. Durch Sublimation statt Verdrängung (so Freud). Entsprechend gibt es auch eine andere Auffassung von Fortschritt. Eigentlich gibt es in der Kunst keinen quantifizierbaren, über alle Epochen hinweglaufenden logisch-historischen Prozeß, sondern bestimmte Verdichtungen, die Feyerabend Stile nennt. Fortschritt in der Kunst ist insofern nur als Fortschritt in einer bestimmten qualitativen Tradition (der Renaissance, des Manierismus, der niederländischen Landschaftsmalerei usw.) aufzufassen. 

Feyerabends Erkenntiskritik läuft nun darauf hinaus, den aggressiven Unterwerfungsgestus der Wissenschaft gegenüber der Welt im Paradigma der Kunst aufgehen zu lassen, nicht um die Wissenschaft abzuschaffen, sondern um sie vor der Hybris unangreifbarer Objektivität zu bewahren. Die wissenschaftlichen Paradigmen unterscheiden sich dann wie Stilepochen und können nicht beanspruchen, in einem kumulativen Zusammenhang des Wissensfortschritts zu stehen. Indem Wissenschaft auf ihre besondere Tradition verwiesen wird, wird sie sich der Relativität und historischen Vorläufigkeit ihrer Erträge bewußt. 


Sechste Überlegung: Das Kunstwerk als Sprachspiel: Die Kunst der Kontextualisierung 

Die Idee, die sich aus diesem Vergleich der zwei Erkenntnisformen von Kunst und Wissenschaft ergibt, ist also folgende: Bisher hat sich die künstlerische Avantgarde eng an einen objektiven wissenschaftlichen und technischen Fortschrittsglauben gebunden, dem sie auch nicht durch Umkehrung zur ‘Antikunst’ entgehen konnte. Wenn sie sich aber auf ihre eigenen Potentiale eines qualitativen und immanenten Entwicklungskonzepts besinnt, die wir im Stilbegriff erkennen konnten, dann zeigen sich frappierende Familienähnlichkeiten zu jenem Prozeßverstehen, das wir im ökologischen Denken entdeckten. Ja weitergehend: Gerade die Wissenschaftskritik Feyerabends und Batesons hat gezeigt, daß in dem Maße, wie in die Wissenschaft qualitatives Prozeßdenken Eingang findet, auch interessante neue Denkströmungen aus der Kunst in die Wissenschaften einfließen können. 

Damit kann ich mich dem zweiten Merkmal des Stils der Moderne zuwenden. Arthur C. Danto sieht - in Tradition der Wittgensteinschen Sprachgrammatik - gerade im Bewußtsein der Kontextualität eine neue Qualität moderner Kunst. Kunst hat in gewisser Weise immer nach dem Prinzip eines Sprachspiels funktioniert. Jedes Fresco und jede Statue beziehen sich auf den Ort, dem sie verhaftet sind, und erhalten ihre Bedeutung von den Praktiken und Sehweisen, die sich auf den ‘Kunstgegenstand’ beziehen. Was aber die ästhetische Moderne von allen ihren Vorgängern unterscheidet, ist, daß diese Kontexte, Praktiken und Sehweisen selbst zum reflektierten Gegenstand von Kunst werden. Lange vor Ulrich Beck spricht Danto von einer reflexiv gewordenen Moderne, in der das Kunstwerk die Bedingungen, weswegen es Kunst wird, mitreflektiert. Besonders offenkundig wird dies an Andy Warhols berühmter Brillo-Box, die dieses Prinzip ja schon fast banal ausspricht: ‘Seht, ich bin ein Gegenstand des Alltags, stellt mich in ein Museum, und ich werde zur Kunst.’ 

Danto entwickelt seine Vorstellungen einer ‘Kunst nach dem Ende der Kunst’, die sich selbst aufhebt, indem sie ihre Voraussetzungen durchschaut, vor allem an Beispielen der Avantgarde der 60er und 70er Jahre. Freilich lassen sich Vorläufer bei den Dadaisten finden - keine Tradition ist völlig eindeutig. Duchamp und Man Ray sind zu nennen, die neben der europäischen Tradition auch amerikanischen ‘Lebensstil’ in den Dadaismus eingebracht haben, der weit weniger politischer Programmatik als alltäglichem Pragmatismus als Reflexionsform verbunden war (49). Indem der Künstler den Gegenstand aus seinem ursprüngliche Kontext heraushebt, beleuchtet er nicht nur die Bedeutung des Gegenstands (das Pissoir wird zum Springbrunnen), sondern auch die Orte und Zeiten, in die er eingestellt ist. Diese ‘Verklärung des Gewöhnlichen’ (Danto) schafft durch Distanzierung eine neue Sensibilität für Zusammenhänge. Durch die Verschiebung des Kunstgegenstands wird eine neue Aufmerksamkeit für Umwelten erzeugt. Das, an dem wir achtlos vorübergehen oder in konventioneller Blindheit nicht mehr wahrnehmen, erhält eine neue Bedeutung. Das Kriterium der Kunst besteht dann nicht mehr in der Qualität der Abbildung von Realität, sondern darin, möglichst präzise Metaphern zu schaffen, die diese Zusammenhänge sichtbar werden lassen. 

Es geht auch nicht mehr um den provokatorischen Akt oder Überschreiten der Grenzen des besonderen Institutionensystems Kunst. Wenn z.B. der Alltagsgegenstand (wie die Brillobox) in einen Kontext von Kunst gestellt wird, dann wird ja gerade nicht die Barriere zwischen Kunst und Leben niedergerissen, sondern geradezu betont. Man wird sich erst über die Kontexte klar, die etwas als Kunstwerk zur Geltung bringen, denn Warhols Brillobox behauptet ja, anders zu sein als jene Waschmittelkartons in den Supermärkten. Warhol spielt eher mit den Grenzen der Kunst als sie zu überschreiten, er oszilliert um sie statt sie aus dem Weg zu räumen. „Das Werk erhebt seinen Anspruch, Kunst zu sein dadurch, daß es eine draufgängerische Metapher vorschlägt: der Brillo-Karton-als-Kunstwerk. Und am Ende verwandelt diese Verklärung eines gewöhnlichen Gegenstands in der Kunstwelt gar nichts. Sie bringt nur die Strukturen der Kunst zum Bewußtsein, die freilich einer gewissen historischen Entwicklung bedurften, bevor diese Metapher möglich wurde." (50) 

Diese neue Qualität der Moderne bezieht sich nicht nur auf jene Kontexte, die einem Gegenstand seine Bedeutung als Kunstwerk verschaffen. Sie kann auf alle ästhetischen Qualitäten unseres Lebens ausgerichtet sein. Gerade dieses reflexiv gewordene Prinzip ermöglicht ganz neue Sichtweisen. Wenn sich der Land-Artist eben auf das Gelände, in dem sein Kunstwerk wirken soll, präzise einstellt, wenn die Inszenierung auf einem Platz in der Stadt eine bisher gewohnte Topographie in neuem Licht erscheinen läßt, dann wird das, was zur Gewohnheit geworden und unserem ästhetischen Urteil entzogen ist, wieder in seiner Komplexität und seinen Interdependenzen erfahrbar. (51) 

Indem das Kunstwerk sich nicht mehr als Abbildung, sondern als Knotenpunkt von Zusammenhängen versteht, steht es in enger Verwandtschaft zum ökologische Paradigma. Um dies deutlich zu machen, müßte man einmal das Prinzip Jazz dem Prinzip Wissenschaft gegenüberstellen. Dort exististiert ein offenes, ‘ökologisches’ Modell, das es ermöglicht, viele Traditionen (die ihre je eigenen Kreisläufe bilden) anzulagern, ohne ihnen ihre Eigenart zu rauben. Dieses Cross-Over des ‘offenen Kunstwerks’ (Umberto Eco) unterscheidet sich diametral vom System der Wissenschaft, die dies nur als Eklektizismus wahrnehmen kann.Tatsächlich werden dadurch Eigenschaften für das Kunstwerk ausschlaggebend, die schon genannt wurden: ‘eigen’, ‘spezifisch’, ‘zusammenhängend’. Es ist, als ob eine zirkulierende Metapher ihr Licht auf jene sie umgebenden Quellen und Energieströme zurückwirft, die ihre Lichtkraft speisen. Insofern wird nicht nur das Spezifische, sondern auch das Transitorische, der Übergang, das Switching zwischen verschiedenen Kontexten und die unterschiedlichen Bedeutungen, die die Metapher annehmen kann, zum ‘Eigentlichen’ des Kunstwerks. Auch hier stellt sich eine frappierende Familienähnlichkeit zu den Vorstellungen Batesons ein, die die Monotonie des Prinzipiellen und die Monokausalität wissenschaftlicher Erklärung durch Ambiguität, Ironie, Kommunikation und Vermittlung des Disparaten unterlaufen. 


Beispiele 

Um die ökologische Dimension von Kunst erkennen zu können, ist freilich eine andere als unsere gewöhnliche Sichtweise des Verhältnisses von Kunst und Natur erforderlich. Gerade weil unser ästhetisches Verständnis noch dominiert wird von einem romantischen Naturbegriff der unberührten Landschaft, der überwältigenden oder idyllischen Natur, vermögen wir die ökologischen Dimensionen in der modernen Kunst nicht zu sehen. Von dieser ‘Naivität’ zu jener ‘Dauerreflexion" einer Kunst überzugehen, die ihre eigenen Grundlagen und damit ihre Relativität offenlegt, fällt uns nicht leicht. Ästhetisch leben wir in einem gleichsam ‘überholten’ Wahrnehmungszustand, so wie wir gefühlsmäßig noch in einer von Newton geprägten Welt leben und das Einsteinsche Universum als widersinnliche Absurdiät empfinden. (52)  

Abschließend möchte ich ein paar Beispiele von Kunstwerken kurz darstellen, die für mich in einem wesentlichen und nicht zufälligen Sinn ökologische Bezüge aufweisen. Sicher kann es nicht darum gehen, eine ökologische Kunst in dem Sinne zu schaffen, wie es der AgitProp, die russische Avantgarde oder der italienische Futurismus für unterschiedliche politische Strömungen waren. Genau dies funktionale Wirkungsverhältnis widerspricht ja nicht nur dem künstlerischen, sondern auch dem ökologischen Grundverständnis, das wir hier verfolgt haben. 

Am prominentesten hat zweifellos Joseph Beuys den Zusammenhang von Kunst und Ökologie vertreten: Der bewußte Versuch einer integralen Sicht der Dinge, deren gedankliche Grundlage Energieströme bilden, kommt der hier vertretenen Aufassung sehr nahe. 


Joseph Beuys: Evervess II; 7000 Eichen 

Am spektulärsten in unserem Zusammenhang war sicherlich Beuys’ Eichenpflanzaktion im Rahmen der Documenta VII. Man verkennt freilich die ökologischen Wahlverwandtschaften, wenn man vordergründig die Begrünung der Innenstadt als Kernausage der Aktion versteht. Wichtig scheint mir gerade der spezifische Werkcharakter der Aktion: Das Kunstwerk ist nämlich gerade dann vollendet, wenn es sich als sichtbares Zeichen verflüchtigt und in einen Kreislauf bürgerschaftlichen Engagements und natürlicher Diffusion übergeht. Erst wenn alle Steine und Bäume aus dem Weg geräumt und als Konglomerat verschwunden sind, ist das Werk vollendet. „Der Prozeß der Auflösung und damit das Gelingen des Werks erfolgte nicht automatisch und nicht autonom, sondern setzte ein Handeln voraus, das den ästhetisch isolierten Raum sprengen und sowohl die ethische Motivierbarkeit des Einzelnen wie das Mitspielen des Gesellshaftsgefüges mit einbeziehen mußte", so Theodora Vischer über den Kunstbergriff bei Joseph Beuys. (53)  Diese Idee der sozialen Plastik entspricht dem, was ich Kontextualisierung nannte. 

Daß Beuys natürliche Energieströme in der Welt am Werk sieht, die es durch das Kunstwerk wieder aufzudecken gilt, ist bekannt. Weniger unstrittig ist, daß Beuys damit auch eine Aufforderung an unsere Sinne und unser Tun verbindet. Die Betrachtung der Kunst wird in einen aktiven Handlungs- und Wahrnehmnungsbezug gestellt. Er selbst sagt: "Es gibt eine sichtbare und es gibt eine unsichtbare Welt. Zur unsichtbaren Welt gehören die nicht wahrnehmbaren Kraftzusammenhänge, Formzusammenhänge und Energieabläufe.... Diese unsichtbaren Formen sind nur solange unsichtbar, solange ich kein Auge habe, kein Organ habe, das bildhaft wahrzunehmen fähig ist. Für denjenigen also, der sich ein Wahrnehmungsorgan schafft, für den sind diese Formen wahrnehmbar." (54) 

Sein Begriff der Gestaltung enthält aber gewissermaßen das ökologische Muster eines sich selbst regulierenden Fließgleichgewichts, auf das die Kunst unser Augenmerk lenken soll. Insofern wirkt Kunst therapeutisch auch im Verhältnis von Mensch und Natur. Nochmals Theodora Vischer über Beuys’ Ästhetik: „Ist ein Zustand, zum Beispiel das Mißverhältnis von Mensch und Natur, von Gesellschaft und Natur als in einem erweiterten Kräftezusammenhang stehend erkannt, öffnen sich Möglichkeiten, ihn aus seiner Einseitigkeit zu lösen." (55)

Ein zweites Beispiel bietet die Plastik Evervess II. Sie besteht aus zwei Mineralwasserflaschen, die in ein Holzkästchen eingefaßt sind. Während auf der einen Flasche das Markenetikett zu erkennen ist, wurde es auf der anderen durch ein Stück Filz überdeckt und damit anonymisiert. Mit dem Filz, der für Beuys ja eine spezifische metaphorische Bedeutung als natürlicher Wärmespeicher innehat, wird die Ware ‘Natur’ (abgefülltes Mineralwasser) für den Warenstrom, in dem sie sich befindet, gleichsam unbrauchbar gemacht.Michael Fehr interpretiert Evervess II in einer Werkbeschreibung in Worten, die man ohne Umstände auch in ökologischen Zusammenhängen benutzen könnte: „.. durch die Filzetikettierung (wird) nicht nur jede dieser Eigenschaften (als Ware, T.R.) aufgehoben, sondern vor allem auch das Gebrauchswertversprechen zerstört - und damit ist sie (die Flasche, T.R.) als Ware in dem Kontext, für den sie hingestellt wurde, nicht mehr realisierbar, praktisch funktionslos gemacht. Doch nicht nur das bewirkt der künstlerische Eingriff: Denn indem die bearbeitete in einen Zusammenhang mit der unbearbeiteten Evervess-Flasche gebracht ist, wird auch diese als Ware entfunktionalisiert und darüber hinaus zum bloß formalen Gegenstück der Flasche mit dem Filzetikett verdinglicht. Die Entfunktionalisierung und Verdinglichung der unbearbeiteten Evervess-Flasche verdankt sich der doppelten Funktion des Holzkastens, in dem sich beide Flaschen befinden. Der Karton grenzt die Flaschen aus dem Kontext zweckrationalen Handelns aus und bringt sie zugleich in einen kommunikativen Kontext, in dem auch die unbearbeitete Flasche nur noch als Gegenstand ästhetischer Reflexion gebraucht wird." (56)


Fischli und Weiß: Kettenreaktion 1987 

Man könnte ökologische Sichtweisen auch an der Installation ‘Kettenreaktion’ der Schweizer Künstler Fischli und Weiß erläutern: Im einer alten, leergeräumten Fabrikhalle werden Kettenraktionen erzeugt, die vielleicht auf früheren Produktionsprozesse an diesem Ort hinweisen, vor allem aber - in metaphorischer Verallgemeinerung - auf die Kausalität unserer Welt ein ironisch gebrochenes Licht werfen. Da explodieren Abfalltonnen, ergießen sich Altölseen, entzünden sich ekelhaft aussehende Flüssigkeiten, zerplatzen Knallkörper auf verzogenen Rampen. Alles wirkt so, als ob es von einem ziemlich zerstreuten Schöpfergott mit zittriger Geisterhand in Gang gesetzt wurde. Die einzelnen Bewegungssequenzen sind stets mit ganz fragilen Verkettungen klapprigster Fahrzeuge, zerplatzender Luftballons, zerdellter Blechbüchsen verbunden. Die pyromanische Endkatastrophe eines Prozesses wird zum dräuenden Beginn des nächsten. Ein so absurder Bewegungsablauf löst in seiner ganzen scheinbaren Zufälligkeit unsere Erwartungen an naturwissenschaftliche Experimente und monokausale Wirkungszusammenhänge im befreienden Lachen einer Erkenntnis auf. Es ist ganz egal, wo ein Anfang und ein Ende ist, kontollierte Ausgangsbedingungen und Resultate sind nicht mehr zu unterscheiden. Damit wird der Produktionsprozeß zum Spiel, seine Zielgerichtetheit in seiner Zwecklosigkeit enthüllt. 


Tadashi Kawamata: Destroyed Church Project 1987 

Das Projekt ‘Zerstörte Kirche’, das der japanische Künstler Tadashi Kawamata auf der Documenta VIII vorstellte, beleuchtet eine andere ‘ökologische’ Dimension von Kunst. Wie gesagt, bezieht Bateson den Begriff der Ökologie ja auf alle Kreislaufsysteme, auch solche, deren Bedingungen der Mensch geschaffen hat. Dazu gehört die Stadt als die Lebenswelt, die der Mensch vorzüglich behaust. Kawamatas Installation umfaßt die Außenmauern einer im Krieg ausgebomten Kirche, deren Ruine durch eine dynamische Konstruktion aus Bauholzlatten eingeschalt wurde. Sie geben diesem vergessenen Ort nicht nur neue Bedeutung, sondern verweisen auf seine Vorläufigkeit und vor allem auf jene Dynamik der Geschichte, die sich an diesem Ort als eine der letzten Baulücken, die der Krieg hinterließ, konzentriert. „Gleitend und fließend, sich verdichtend und wieder auseinanderstrebend, umhüllt ein Gefüge von Hölzern die Fassade...Kawamata beweist uns so, daß festgelegte Formen wieder zu verändern und sogar neu zu beleben sind... Auf- und Abbau gehen ineinander über; es bleibt einzig der Zeitabschnitt als Beziehung zum Raum, als Bindegleid zum Ort. Für Tadashi Kawamata ist der Faktor Zeit ein Prozeß des Werdens und Vergehens, der über das Zwischenstadium des Bestehens zu Historie wird," schreibt Wenzel Jacob. (57) An Kawamatas Installation zeigt sich besonders prägnant die Behandlung einer Stadt als ‘Landschaft’, die unbemerkte Kräftebeziehungen zusammenhalten. Sie werden uns vor Augen geführt, indem der Kontext, den wir zu kennen glauben und die Umgebung, die wir zerstreut betrachten, unsere Aufmerksamkeit erneut auf sich ziehen. 


Cildo Meireles: Fontes 1992  

In der folgenden Documenta IX gestaltet der brasilianische Künstler Cildo Meireles einen Raum, dessen verwirrende Vielfalt von gelb und schwarz gefärbten Holzlatten zunächst den Eindruck eines von abgestorbenen Lianen verhangenen Urwalds macht. Interessant an diesem Werk ist überhapt das Übergehen in neue Bedeutungen, je deutlicher der Betrachter die Einzelheiten erkennen kann. Bei näherer Betrachtung sieht man Zollstöcke, die in engen Abständen von der Decke baumeln. Die Wände sind mit Uhren dicht behängt. Der Boden ist mit schwarzen Flecken überzogen, die im Gegensatz zu den Uhren kein erkennbares symmetrisches Muster ergeben. Geht man noch näher heran, so lassen sich auf den Meßlatten ganz unterschiedliche Längeneinheiten und auf den Uhren ganz verwirrende Zeiteinteilungen erkennen, die nicht nur kontinuierliche, sondern auch diskontunierliche Abstände aufweisen. Minuten und Zentimenter werden in ihrer universalen Bedeutung als Maßeinheiten von Zeit und Raum relativiert. Es gibt Eigenzeiten und Eigenräume, die sich nicht auf ihrem Kontinuum abbilden lassen. Die schwarzen Flecken auf dem auf dem Fußboden aber entpuppen sich als ein Durcheinander von Zahlen, die sich als Zusammenfluß der ‘qualitativen’ Zeit- und Raumquellen auf dem Boden ergießen. Gerade die unterschiedlichen Eindrücke, die Meireles’ Installation aus verschiedenen Entfernungen macht, verdeutlichen ein Prinzip ökologischen Denkens, das hinter dem Chaos Ordnungen sucht und bei näherer Betrachtung auf ein Geflecht jeweils besonderer Eigenzeiten und Eigensinne stößt. 

Abschließend: Batesons Ökologiebegriff und Dantos Kunstauffassung, die die gesellschaftliche Stellung des Kunstwerks, seine Kommentare und Sichtweisen mitreflektiert, bieten in ihrer Konvergenz ein zeitgnösisches Paradigma von Kunst, das Natur in jener krisenhaften und komplexen Weise zur Geltung bringt, wie es der traditionelle Begriff des Naturschönen heute nicht mehr leisten kann. Und doch führt die Spur zur Naturästhetik zurück, denn im Anspruch ist sich Kunst auch in einem neuen Begründungszusammenhang treu geblieben. Die Klammer liefert uns Adorno: „Kunst möchte mit menschlichen Mitteln das Sprechen des Nicht-Menschlichen realisieren". (58) 



Anmerkungen 

1    s. dazu Winfried Nerdinger (Hg.): Bauen im Nationalsozialismus. Eine Ausstellung des  
Architekturmuseums der TH München. München 1993 
2    Franz Roh: Der verkannte Künstler. Studien zur Geschichte und Theorie des kulturellen Mißverstehens, 
 Köln 1993, S. 256 ff. 
3    Robert Musil: Notizen vom 17. November 1935. In: Allerhand Fragliches, Reinbek bei Hamburg 1996,  
S. 7 
4    wie es ja im Ursprung der ästhetischen Philosophie, z.B. bei Baumgarten, begriffen wird. S. dazu: Terry  
Eagleton: Ästhetik: Geschichte ihrer Ideologie. Stuttgart, Weimar 1994, S. 15 ff. 
5    Karl Marx: Ökonomisch Philosophische Manuskripte. MEW Eregänzungsband. Erster Teil, S 540 
6    Ernst Tugendhat: Nachdenken über die Atomkriegsgefahr und warum man sie nicht sieht. Berlin 1988. 
7    darauf haben verschiedene Vertreter ästhetischer Erziehung, z.B. W. Zacharias, eindrücklich hingewie 
sen. 
8    Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Ffm 1973, S. 102 
9    a.a.O., S. 103 
10   s. Dazu Urs Bitterli: Die „Wilden" und die „Zivilisierten". Europäisch-überseeische Begegnung, Mün 
chen 1976  
11  Jean Starobinski: Mozart und die Nacht. In: ders.: 1789 - Die Embleme der Vernunft. München, Wien,  
Zürich 1981 
12   Für Horkheimer und Adorno läßt sich der Ursprung des prekären Verhältnisses von Verwertungszusam 
menhang und autonomer Natur bekanntlich schon bei Homer entdecken: Odysseus stellt sich außerhalb  
der Natur und kann ihre verführerischen Lockungen dennoch geniessen, weil er ihre mythische Macht  
mittels Arbeit und Herrschaft überwindet. Er kann dem Gesang der Sirenen gefahrlos lauschen, weil ihn  
seine Sklaven an den Mast fesseln und sich selbst dem Gesang nicht hingeben dürfen. M. Horkheimer;  
T.W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Ffm 1971. 
13   Jürgen Habermas: Bewußtmachende oder rettende Kritik - Die Aktualität Walter Benjamins. In: S. Un- 
seld (Hg.): Zur Aktualität Walter Benjamins, Ffm 1972, S. 192 f. Interessant wäre hier zu untersuchen,  
inwiefern eine ästhetische Naturauffassung, die aus dem Verwertungszusammenhang der Industrie  
herausfällt, schon in den Konstitutionsbedingungen autonomer Kunst gebunden ist. Interessant ist  
jedenfalls das zeitliche Zusammenfallen der Entstehung unserer Vorstellung von Landschaft, als einer  
Natur, für die wir - um Kant zu zitieren, interesseloses Wohlgefallen verspüren, und der Entstehung  
einer romantischen Kunst, die erstmals die Autonomie des Künstlers als Schöpfer postuliert und damit  
eine neue Form der kreativen Individualität erfindet. S. dazu: Ernst Fischer: Ursprung und Wesen der  
Romantik. Ffm 1986. Auch Adorno weist auf eine frappante Parallelität hin: Die Entfernung des  
Naturschönen von seinen historischen Konstitutionsbedingungen entspricht dem von Werk und  
Werkprozeß in der Kunst. Dies ist nicht nur ideolgiekritisch zu verstehen: Die Schönheit z.B. des  
Balletts verlangt eine körperliche Mühsal, die in der Leichtigkeit der Aufführung nicht mehr zu  
erkennen ist, sondern zu scheinbarer Schwerelosigkeit sublimiert wird. Man denke an Degas’  
Balletstudien, der diese Kluft wiederum zum Thema seiner Kunst macht. 
14   Jean Starobinski: Die Erfindung der Freiheit 1700-1789, Ffm 1988, S. 160 
15  Alfred Schmidt, Ffm, Köln 1971, S. 140 
16   Walter Benjamin: Paris, die Hauptstadt des 19. Jahrunderts. Das Passagenwerk, Bd. 1, Ffm 1982,   
S. 45 ff,  
17   Walter Grasskamp: Raumbilder: In: Deutsche Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Plastik 1905- 
1985.  Ausstellungskatalog der Staatsgalerie Stuttgart, hgg. v. C Joachimides, N. Rosental, W. Schmied,  
München 1986 
18  Fritz Kramer: Verkehrte Welten. Zur imaginaären Ethnographie des 19. Jahrhunderts, Ffm 1977,  
S. 93 ff. 
19  Adorno, a.a.O., S. 106 
20   a.a.O., S. 110 
21   zit. nach: Harry Pross: Jugendbewegungen in Deutschland. In: Deutsche Kunst im 20. Jahrhundert  
a.a.O. S. 82  
22   Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und  
Symbol der Zeit. Berlin 1983, S. 156 
23   Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Adorno hat für diese Nichtachtung der Natur in der Moderne einen  
anderen Befund: „Die Abneigung von ihr (der Kategorie des Naturschönen) zu reden, ist dort am  
stärksten, wo Liebe zu ihr überlebt" (a.a.O., S. 108) 
24   Sedlmayr a.a.O., S. 160 f. 
25   a.a.O. S. 248 
26   Berthold Hinz identifiziert eine signifikante Unterteilung in Genres, zu denen u.a. gehört: Frau und  
Mutter, Deutscher Bauer - Deutsches Land, der Wald, das Meer, die Straßen Adolf Hilters in der Kunst,  
Volk der Arbeit u.a.. Landschaft ist sowohl im Bild der reinen, unberührten Landschaft, wie im organi 
schen Gefüge mit dem sie bebauenden und hegenden Menchen (Hinz nennt sie: Männer der naturnahen  
Urberufe: Bauer, Jäger, Fischer, Hirte, Holzhauer) Thema der Malerei im Nationalsozialismus. Berthold  
Hinz: Malerei des deutschen Faschismus. gekürzt abgedruckt in: Frankfurter Kunstverein (Hg.): Kunst  
im Dritten Reich. Dokumente der Unterwerfung, Ffm 1979 
27   Odo Marquard: Zukunft und Herkunft. Bemerkung zu Joachim Ritters Philsophie der Entzweiung. In:  
ders. Skepsis und Zustimmung. Philosophische Studien. Stuttgart 1994, S. 21 f. 
28   Ulrich Beck: Gesucht: der urbane Magier. Süddeutsche Zeitung vom 12.11.1996 
29   Gregory Bateson: Ökologie des Geistes. Ffm 1981 
30  a.a.O. S. 99 ff. 
31   a.a.O., S. 549 f. 
32   a.a.O. S. 563 
33   Erwin Panofski: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. In: ders: Aufsätze zu Grundfragen der  
Kulturwissenschaft, Berlin 1980. Allgemein zum Stilbegriff in den Kulturwissenschaften:  
Hans U. Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer (Hg.): Stil - Geschichte und Funktionen eines kulturwissen 
schaftlichen Diskurselements. Ffm 1986 
34   Erwin Panofski: Abt Suger von St Denis. In: ders: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln  
1978, S 139 
35   Ich halte diesen von Wittgenstein stammenden Begriff am geeignetsten, um das Verhältnis eigenständi 
ger individueller Ausprägung bei einer gleichzeitigen Verwandtschaftsbeziehung zu unterstreichen, die  
sich gleichzeitig in den ‘Phänomenen’ bemerkbar machen muß. 
36   Aber auch im Bild tauchen in der Moderne Formen auf, die gerade dieses traditionellen  
Abbildungsverhältnis kommentieren und zum Teil dementieren. Man denke nur an Margrittes  
„Denkbilder" mit ihrem Spiel von Realität, Abbildung und Bezeichnung. Siehe dazu: Michel Foucault:  
Dies ist keine Pfeife. München 1974 
37   De Baere, Bart: Warum und Wie - Wie(und Warum). Documenta IX. Ausstellungskatalog Band 1. 
 Essays und Biographien, Kassel 1992, S. 41 
38   Peter Bürger: Theorie der Avantgarde, Ffm 1974, S. 81 ff. 
39  Charles Baudelaire: Der Maler des modernen Lebens. In: ders. Gesammelte Schriften, Band 4, Dreieich  
1981 
40  a.a.O. S. 285f: „Er (der Künstler, T.R.) sucht jenes Etwas, das ich mit Verlaub als die ‘Modernität’  
bezeichnen will...Es handelt sich für ihn darum, von der Mode das loszulösen, was sie im  
Geschichtlichen an Poetischem, im Flüchtigen an Ewigem enthalten mag...Die Modernität ist das  
Vorübergehende, das Entschwindende, das Zufällige, ist die Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das  
Ewige und Unabänderliche ist." 
41  Joseph Brodski: Katastrophen in der Luft. In: ders: Flucht aus Byzanz. Essays, Ffm 1991, S. 256 
42   freilich gibt es mit den Futuristen einen starken Einfluß in der Ästhetik, die den technischen Fortschritt  
kritiklos bejaht, ja sich geradezu an seine Spitze stellen will. 
43   Das Enttäuschen der Versprechen des 19. Jahrhnderts sei geradezu das Signum unseres Jahrhunderts  
schreibt Agnes Heller: „...das 19. Jahrhundert lebte von etwas - und endete mit etwas - was man  
‘Versprechen’ nennen könnte; es versprach für Disraeli, Marx, John Stuart Mill, Lincoln oder Nietzsche  
jeweils etwas anderes - doch es versprach etwas für jeden. Bis zum heutigen Tag geht man zu diesen  
Versprechen zurück. Die Konstellation des 20. Jahrhunderts ist das teuflische Sternenbild; es spricht  
von der Verleugnung des Versprechens, von den - gegen jede Spielart des Versprechens begangen  
Verrat. ... Der Übermensch wurde Untermensch, die Kultur wurde gerichtet, nicht gerettet, die Gesell 
schaft der Assoziation freier Produzenten oder des verwirklichten Humanismus wurde zur Welt der  
Zwangsarbeit, des Mordes und des Hungertods. Die Vorurteilslosigkeit wurde zum Rassismus, die  
Entwicklung der Produktivkräfte ... wurde zur Technik der Vergasung benutzt. (Agnes Heller: Requiem  
für ein Jahrhundert. Reden über Gewalt und Destruktivität. Institut für Sozialforschung, Hamburg 1995) 
44  Zit. nach William S. Rubin: Dada und Surealismus, Stuttgart 1972, S 10 
45   Abgedruckt in: C.G. Argan: Die Kunst des 20. Jahrhunderts. 1880 bis 1940. Propyläen Kunstgeschichte  
Band 12, S. 92 f. 
46   Greil Marcus: Lipstick Traces. Von Dada bis Punk - kulturelle Avantgarden und ihre Wege aus dem 20.  
Jahrhundert. Hamburg 1992, S. 196 f. 
47  Ich kann das hier nicht ausführlich begründen. Nur drei Hinweise. Claude Lévi-Strauss etwa weist auf  
die Verbindung von Mythos und Musik hin (Mythos und Bedeutung. Aufsätze. Ffm 1980, S. 57 ff.).  
Victor Turner, wie Levi Strauss Ethnologe, begründet die Entwicklung des Theaters aus dem Ritual  
(Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. Ffm, New York 1989). Wolf Lepenies hat  
in seiner Studie über die Entstehung der modernen Biologie gezeigt, wie verdrängte oder veraltete  
Wissensformen aus den Wissenschaft in der Literatur Aufnahme finden. Die Spur, die er verfolgt, führt  
von Buffons Naturgeschichte zu Balzacs Menschlicher Komödie. (Ders.:Das Ende der Naturgeschichte  
Ffm 1985, S. 115 ff.) 
48   Paul Feyerabend: Fortschritt in Kunst, Philosophie und Wissenschaft. In: Ders: Wissenschaft als Kunst.  
Ffm 1984, S. 85 ff. 
49   Man vergleiche Deweys Kunstauffassung mit jener hektischen Ablösung politisch-ästhetischer ‘Ismen",  
die gleichzeitig Europa beherrschten. Dewey wäre zu seiner Zeit in Europa undenkbar gewesen. 
50   Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst. Ffm 1991, S. 313 f.  
Zur Grenzziehung zwischen Kunst und Leben, die Danto bejaht, vgl. seinen Aufsatz: Gefährliche Kunst.  
In: Ders.: Kunst nach dem Ende der Kunst. Aufsätze. München 1996, S. 213 ff. Er argumentiert darin  
gerade so: Viele Aussagen, die Kunst macht, kann sie nur in ihrem geschützten Raum als Kunst  
machen. Sie kann umso radikaler Wahrheiten aussprechen, wenn sie das moralische Schutzschild  
benutzt, das der  Status als besondere Institution ihr gewährt. Politische Künstler wie Hans Haake haben  
es gelernt, mit diesem Status zu spielen. Auch sie wollen, im Ggensatz zur frühen Avantgarde, die  
Trennung von Kunst und Leben nicht mehr aufheben. 
51   Hier ist der Anschluß an den oben liegengelassenen Faden der ästhetischen Erziehung 
52   Von Wittgenstein wird kolportiert (in Jarmans Wittgensteinfilm), er hätte einen Schüler gefragt, warum  
wir so lange geglaubt hätten, daß sich die Sonne um die Erde drehe. Der Schüler antwortete darauf, daß  
es eben so aussehe. Wittgenstein antwortete mit einer Gegenfrage: Wie sähe es denn aus, wenn es nicht  
so wäre... 
53  Theodora Vischer: Zum Kunstbegriff von Joseph Beuys. In: Joseph Beuys. Skulpturen und Objekte.  
Katalog Band 1 der Ausstellung im Martin Gropius Bau Berlin 1988, München 1988, S. 43 
54   ibid. 
55   a.a.O. S. 39 
56  Zitiert nach: Stefan Germer: Das Jahrhundertding. Ansätze zu einer Theorie und Gechichte des  
Multiples. In: Das Jahrhundert des Multiple. Von Duchamp bis zur Gegenwart. Katalog der Ausstellung  
in den Deichtorhallen. Hamburg 1994, S. 56 
57   Wenzel Jacob: Tadashi Kawamata. In Documenta 8, Kassel 1987, S. 118 
58  Adorno: Ästhetische Theorie, S. 121 


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