Ökosteuer: Gefahr für die Wirtschaft oder notwendiges Modernisierungsinstrument?

Von Kai Schlegelmilch

 

1. Einleitung

Einerseits wird eine Ökosteuer mitunter als Gefahr für die Wirtschaft angesehen, weil sie Unternehmen, die umweltintensiv wirtschaften, stärker belastet als bisher. Damit wird ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit verbunden, der letztlich zu einer unerwünschten Verlagerung des Standorts ins Ausland führen kann, ohne daß damit aus ökologischer Sicht eine Verbesserung eingetreten wäre.

Anderseits ist ein Ausschöpfen der Einsparpotentiale im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch bei heutigen Preis- und Steuerstrukturen oftmals nicht wirtschaftlich, obwohl die Potentiale groß sind. Statt dessen wird weiter in Arbeitsrationalisierung investiert, so daß letztlich mehr Arbeitslosigkeit entsteht und zwar oft eine spezifische Verbesserung der Umwelt, aber eben nicht immer auch eine absolute eintritt.

Um die Relevanz dieser beiden Pole besser herausarbeiten zu können, gilt es mögliche Gefahren für die Wirtschaft sowie Chancen zur Modernisierung durch eine Ökosteuer genauer zu analysieren. Zu diesem Zweck sollen im folgenden die Begriffe der Ökosteuer bzw. der Ökologischen Steuerreform sowie der Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden, da sie als zentral in der Diskussion erscheinen. Daran anschließend wird insbesondere der oft diskutierten Gefahr eines möglichen Abwanderns nachgegangen. Vor diesem, politische Entscheidungsträger offenbar stark beeinflussenden Hintergrund soll in Kürze aufgezeigt werden, wie auf verschiedenen politischen Ebenen die Ausgestaltung von Ökosteuern tatsächlich vollzogen wurde. Anhand dieser Beispiele werden auch die Chancen von Ökosteuern als Modernisierungsinstrument aufgezeigt.

 

2. Ökologische Steuerreform und Wettbewerbsfähigkeit

Wenn von Ökosteuer die Rede ist, so handelt es sich meist um eine verzerrende Begriffsverkürzung. Denn in der Tat werden in Theorie und meist auch Praxis nicht nur Ökosteuern eingeführt, sondern es werden andere Steuern, insbesondere solche, die den Faktor Arbeit belasten, gesenkt. Daher muß folglich von Ökologischer Steuerreform die Rede sein, und die positiven Folgen dieser Steuersenkungen müssen in die Betrachtung der Wirkungen einbezogen werden, um zu einer Gesamtsicht zu gelangen. Dies soll im weiteren geschehen.

Auch bei der Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit wird oft vom Status quo ausgegangen, ohne daß eine echte Marktwirtschaft mit voller Internalisierung externer Kosten zugrundegelegt wird. Unsere jetzige soziale Marktwirtschaft basiert zwar grundsätzlich darauf, daß dem Käufer eines Guts mit dem Preis - gemäß dem Verursacherprinzip - auch sämtliche Kosten in dessen Bereitstellung angelastet werden. Dies gilt jedoch nur in sehr begrenztem Maße für Umweltschadenskosten, die faktisch von (Teilen) der Gesellschaft, anderen Gesellschaften und zukünftigen Generationen getragen werden (müssen). Solange diese real anfallenden Kosten nicht von den Konsumenten umweltschädlicher Güter in voller Höhe getragen werden, besteht eine Wettbewerbsverzerrung. Auf deren Grundlage wird dann oft die heutige, aber eben nur scheinbare Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie jegliche Veränderungen beurteilt. Damit wird jedoch die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verdreht: Heute scheinbar wettbewerbsfähige Unternehmen wären in einer echten Marktwirtschaft mit vollständiger Internalisierung externer (Umwelt-)kosten oftmals gar nicht wettbewerbsfähig, während die selbe Nichtinternalisierung ein großes Hemmnis für potentiell wettbewerbsfähige Unternehmen in einer solchen echten Marktwirtschaft darstellt.

Zudem käme eine Diskussion von Wettbewerbsfähigkeit rein unter Kostenaspekten nicht der Realität nahe. Sie wird auch von Kosten bestimmt, aber sie ist eben auch die Determinante einer Vielzahl von anderen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Faktoren. Aus diesem Geflecht von Faktoren den Kostenfaktor als den ausschlaggebenden herauszustellen, erscheint nicht angemessen wie zahlreiche empirische Untersuchungen über den Einfluß von Umweltkosten auf die Standortwahl gezeigt haben. Insbesondere die Rahmenbedingungen für Umweltinnovationen, mit denen höheren Umweltkosten entgegnet werden kann, sind hier von gleichrangiger Bedeutung.

 

3. Gefahren für die Wirtschaft?

An dieser Stelle soll lediglich auf die meist als Gefahr empfundene Möglichkeit der Abwanderung von Unternehmen ins Ausland eingegangen werden, da diese als am bedeutsamsten und zugleich unerwünschtesten angesehen wird. Betriebe, die am ehesten abwandern würden, sind solche, die energieintensiv, aber wenig arbeitsintensiv sind und zudem im harten internationalen Wettbewerb stehen. Sie hätten im Falle der Realisierung einer ÖSR eine Nettokostenbelastung zu verkraften, die nur schwer auf die Preise überwälzbar ist. Dies trifft jedoch nur auf wenige Betriebe zu, zu denen z.B. Teile der Grundstoffchemie, Stahl- und Eisen sowie Papier- und Zellstoff zählen. Der ganz überwiegende Teil der Unternehmen dagegen erfährt entweder eine Nettokostenentlastung, keine Auswirkungen oder ist nur leicht negativ davon betroffen, was den Anreiz setzt, durch Innovationen entsprechende Energiekosteneinsparungen vorzunehmen.

Mitunter kann das Abwandern von Betrieben auch ökologisch vorteilhaft sein, wie z.B. im Falle der vollzogenen Verlagerung der Aluminiumschmelzen nach Island und Norwegen. Hier steht Strom aus erneuerbaren Energieträgern wie Wasser in großen Mengen zu sehr günstigen Preisen und ohne Emission von Treibhausgasen bereit, während in Deutschland zu dessen Produktion Kohle verfeuert werden mußte. Im arabischen Raum werden Kapazitäten im Bereich der Grundstoffchemie aufgebaut, die die bisher nutzlos abgefackelten Gasvorräte aus Ölfeldern zur Energiegewinnung nutzen.

Gleichwohl bedeutet diese Abwanderung aber einen (weiteren) Verlust an Arbeitsplätzen, die sich zudem meist regional konzentrieren (z.B. Rhein-Ruhr, Rhein-Neckar); und dies wird von Politikern als das wohl größte Problem aufgefaßt. Hier müssen in der Tat Mittel gefunden werden, um mit einer ÖSR keine Abwanderung von Arbeitsplätzen in größerem Ausmaße auszulösen (siehe 4. und 5.).

In diesem Zusammenhang muß aber auch die historische Entwicklung der Energie- sowie Arbeitsabgabenbelastung erfolgen. Denn der Anteil der Aufkommen von Abgaben auf den Faktor Arbeit am Gesamtbudget stieg von ca. 45 % in 1970 auf rund 67 % in 1996, während jener auf Naturverbrauch von ca. 12 % auf sogar 8 % im gleichen Zeitraum zurückging. Dies entspricht einer anti-ökologischen Steuerreform, die letztlich auch dafür verantwortlich ist, daß arbeitsintensive Sektoren wie die Leder- und Textilindustrie mitsamt den Arbeitsplätzen fast komplett ausgewandert sind. Für energieintensive Betriebe wurde durch die Subventionierung aufgrund der Nichtinternalisierung externer Kosten erst die Grundlage zur weiteren Existenz geschaffen.

In diesem Lichte haftet einer ÖSR nichts Revolutionäres an, sondern sie ist lediglich die Umkehr einer von den Folgen her nicht erwünschten Abgabenentwicklung.

Zudem gelten die o.g. Ausführungen nur, sofern andere Wettbewerber nicht einem ähnlichen Energiesteuerdruck ausgesetzt werden. In der Tat haben aber z.B. Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden den Einstieg in eine ÖSR vollzogen und zumindest teilweise auch die Industrie belastet. Hier gilt es also für Deutschland erst einmal den Anschluß zu finden - von "nationalem Alleingang" zu sprechen wäre gänzlich verfehlt. Gleichwohl wurde dort keine "Reinform" einer ÖSR realisiert (verstanden als einen einheitlichen Steuersätze auf alle Energieverbräuche), sondern man hat durch teilweise reduzierte CO2-/Energiesteuersätze und Kombination mit Energieaudits eine Anreizwirkung aufrechterhalten, aber damit auch auf die Wettbewerbsfähigkeit bisheriger Industrien Rücksicht genommen. Für die Auswirkungen einer ÖSR kommt es folglich entscheidend auf ihre Ausgestaltung an.

 

4. Ökosteuern in In- und Ausland und ihr Innovationspotential

Um die Eignung einer ÖSR als Modernisierungsinstrument aufzuzeigen, werden im folgenden einige Anwendungsbeispiele auf verschiedenen politischen Ebenen, angefangen mit der untersten, geschildert.

Die Stadt Kassel hat auf kommunaler Ebene einen Präzedenzfall für Verpackungsabgaben geschaffen, der inzwischen mehrere hundert Kommunen gefolgt sind. Es werden Einwegverpackungen insbesondere von Speisen besteuert, die meist leicht durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt werden können. Dieser beabsichtigte Effekt ist in Kürze in sehr starkem Maße eingetreten und hat dafür gesorgt, daß Einwegverpackungen weitgehend verschwunden sind.

Auf Länderebene haben mehrere Grundwasser- sowie Sonderabfallabgaben einen Rückgang der besteuerten Stoffe bewirkt. Insbesondere die Wirkung der Baden-Württembergischen Sonderabfallabgabe wurde detaillierter untersucht. Es zeigte sich, daß das Sonderabfallaufkommen in zwei bis drei Jahren um rund 50 % gesunken ist. Zwar wird vermutet, daß davon rund die Hälfte auf Umdeklarationen und Betrug zurückzuführen ist, doch die andere Hälfte wurde durch innovative Verfahrenstechniken sowie Wiederverwendung vermieden. Allerdings hat erst kürzlich das Bundesverfassungsgericht, einige dieser Abgaben als nicht zulässig erklärt, insbesondere weil sie im Widerspruch zum Politikansatz auf Bundesebene stehen würden.

Auf nationaler Ebene gibt es in Deutschland keine Abgabe, die die Bezeichnung Ökosteuer verdienen würde. In anderen Staaten wurden jedoch zahlreiche Ökosteuern eingeführt. Zu mindestens 16 Ökosteuern liegen Erfahrungsberichte vor, die in einem Bericht der Europäischen Umweltagentur in 1996 zusammengefaßt und analysiert wurden. Demzufolge haben sich Ökosteuern als ökologisch weitgehend effizient erwiesen. Dies wird durch die zahlreichen Umweltentlastungen demonstriert. Daneben werden auch, sofern feststellbar, die innovativen Effekte der einzelnen Ökosteuer dargestellt. Neuere Berichte von 1997 und 1998, z.B. der schwedischen Umweltagentur, der schwedischen Ökosteuerkommission sowie der dänischen Umweltagentur, unterstützen diese Analyse. So bewirkte die Abgabe auf NOx (Stickoxide) von Kraftwerken einen Rückgang dieser Emissionen um 35 % innerhalb von zwei Jahren. Durch Vermeidungstechnologien sowie durch ein verbessertes Monitoring mögliche optimalere Steuerung der Verbrennungstechnik konnte diese schnelle Reduktion erzielt werden. Ähnlich positiv hat die Steuer auf Schwefel in Schweden gewirkt. Durch sie wurde der Schwefelgehalt von Kraftstoffen um 40 % in zwei Jahren reduziert. Eine 1996 in Dänemark eingeführte Steuer auf Schwefel bewirkte eine ähnliche Reduktionshöhe, jedoch innerhalb weniger Tage, schlichtweg dadurch, daß schwefelarme Energieträger Verwendung fanden, für die es keinen Preisunterschied zu stark schwefelhaltigen gibt. Diese Beispiele demonstrieren eindrücklich, welche enormen Potentiale zur Effizienzsteigerung und Schadstoffreduktion bisher nicht realisiert werden, u.a. weil der nötige Preis-/Steueranreiz fehlt.

 

5. Abschließende Bemerkungen

Verschiedene Staaten wie Dänemark, Schweden, die Niederlande und Norwegen können als Vorreiterstaaten betrachtet werden, in eingeschränkten Maße auch Belgien, Österreich, die Schweiz und Großbritannien. Für Deutschland geht es dabei nicht um einen "nationalen Alleingang", sondern um den Anschluß zu diesen Staaten. Eine Harmonisierung auf hohem Niveau auf EU-Ebene wäre wünschenswert und ist auch das Bestreben der Europäischen Kommission. Dem steht zur Zeit jedoch das Einstimmigkeitsprinzip für steuerliche Angelegenheiten sowie der Widerstand einzelner Mitgliedstaaten im Rat entgegen. Hier sollte im Hinblick auf die positiven Erfahrungen zumindest für umweltrelevante steuerliche Entscheidungen eine Änderung z.B. hin zu einer qualifizierten Mehrheit erfolgen. Dafür spricht auch, daß z.B. in einem Staatenbund wie den USA die Steuerkompetenz stark dezentralisiert ist und steuerliche Unterschiede als Standortunterschiede hingenommen werden. Bedenkt man zudem, daß in wenigen Jahren zehn mittel- und osteuropäische Staaten Mitglieder der EU werden, scheint eine solche Änderung angemessen, um die Regierungsfähigkeit der Europäischen Union aufrechtzuerhalten. Diese zukünftigen Partner sollten heute schon von den Chancen von Ökologischen Steuerreformen überzeugt werden. Da ihre Wirtschaft ohnehin umstrukturiert wird, geht es lediglich um die Frage, in welcher Weise sie umstrukturiert wird. Diese Staaten haben jetzt die einmalige Chance, Fehler des Westens wie die milliardenschwere Subventionierung alter, nicht wettbewerbsfähiger Industrien nicht zu wiederholen und statt dessen Spitzenpositionen auf den Zukunftsmärkten für Solar- und andere alternative Techniken und für Energieeffizienzprodukte zu besetzen.

Zur Frage der politischen Umsetzbarkeit sei darauf verwiesen, daß sowohl die Vorschläge der EU-Kommission für eine CO2-/Energiesteuer von 1992 bzw. leicht modifiziert von 1995 als auch diejenigen für eine Harmonisierung der Mindeststeuersätze von 1997 zahlreiche Ausnahmeregelungen vorsehen, um die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien zu berücksichtigen. Das gilt auch für sämtliche aktuelle Vorschläge von Parteien und Institutionen. Um hiermitabschließend die Ausgangsfrage zu beantworten: Durch geeignete Gestaltung bedeutet eine ÖSR keine Gefahr, sondern sie wirkt als Modernisierungsinstrument für Gesellschaft und Wirtschaft und forciert zugleich effektiven Umweltschutz.

 

Literatur

• European Environment Agency (EEA): Environmental Taxes - Implementation Issues and Environmental Effectiveness, Copenhagen 1996.

• Förderverein Ökologische Steuerreform (Hrsg.): Innovationen anstoßen, Wettbewerbsfähigkeit fördern, Arbeitsplätze schaffen. Der neue Weg zu einer Ökologischen Steuerreform, Hamburg November 1997.

• Krebs, Carsten/Reiche, Danyel T./Rocholl, Martin: Die Ökologische Steuerreform. Was sie ist, wie sie funktioniert, was sie uns bringt, hrsg. vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Naturschutzbund (NABU) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Berlin, Basel, Boston 1998.

• Schlegelmilch, Kai: Ausländische Erfahrungen mit Ökologischen Steuerreformen und Beschäftigungseffekten. Ein kritischer Kommentar zu Priewes Beitrag, in: Bosch, Günter (Hrsg.): Zukunft der Erwerbsarbeit. Strategien für Arbeit und Umwelt. Frankfurt 1998 (erscheint im Herbst im Campus-Verlag).

• Schlegelmilch, Kai: Eco Tax Reform - an option for CEE, in: The Bulletin, Quarterly Newsletter of the Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe (REC), Number 3, Autumn 1996, Volume 6, p.8.

• Schlegelmilch, Kai: Erstaunlich fortschrittlich - Umweltpolitik in Großbritannien: Beispiel Umweltsteuern, in: Ökologie der Informationsgesellschaft, Politische Ökologie Nr. 49, November/Dezember 1996, S. 11f.

• Schlegelmilch, Kai: Green Tax Commissions. Environmental Policy Research Briefs. Number 4. Series editor: Paul Ekins, Dublin: October 1997.

• Schlegelmilch, Kai: The Present Situation of the CO2-/Energy-Taxation System and the Surrounding Controversy. Survey of European Union, Denmark, Finland, Germany, Netherlands, Norway and Sweden, study on behalf of the Japanese Institute of Energy Economics, November 1996.

• Thomas, Stefan et al.: Energy Pricing Policy: Targets, Possibilities and Impacts. Study on behalf of the European Parliament/Directorate General for Research. ENER102 EN, Luxembourg 2-1998.

• Wuppertal Bulletin zur Ökologischen Steuerreform (vierteljährlich seit Ende 1994, auch auf dem Internet sowie in Englisch: http://www.wupperinst.org).