Veranstaltungsreihe: EU-Erweiterung im Brennpunkt

 

EU-Erweiterung und Arbeitsmarkt

 

27.09.2005
Frankfurt a.M.

  
  

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Thema

Eines der brennendsten Probleme der EU-Erweiterung des vergangenen Jahres stellt der Arbeitsmarkt dar. Die "Alt"-EU-Mitgliedsstaaten haben mit wenigen Ausnahmen (England, Irland, Schweden) ihren Arbeitsmarkt ganz oder teilweise für Angehörige der neuen Mitgliedsstaaten gesperrt, was sie längstens sieben Jahre lang tun können. Ab Mai 2011 spätestens wird es keinerlei Beschränkungen grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse mehr geben. Schon jetzt sind viele Neu-EU-Bürger, insbesondere aus Osteuropa, in den Ländern der EU-15 aktiv: Sei es in der Ausbildung, im Studium, in einer abhängigen Beschäftigung oder als Unternehmer. Viele Bürger und Bürgerinnen in den EU-15-Staaten sehen hierin eine Bedrohung für ihre Arbeitsplätze, weil das Lohnniveau in Osteuropa deutlich unter dem Westeuropas liegt. Da die osteuropäischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Allgemeinen nicht dauerhaft im Westen ansässig sind, von ihren geringen Löhnen auch nicht die hohen Lebenshaltungskosten im Westen bestreiten müssen, ist der Vorwurf des Lohndumpings (Stichwort Schlachthöfe) nicht allzu weit hergeholt.
In Deutschland haben bislang auch groß angelegte Razzien und Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) an diesem Problem nichts ändern können - auch weil die osteuropäischen Beschäftigten, denen nicht selten ein guter Teil ihres Lohnes vorenthalten wird, häufig nicht bereit sind, aus welchen Gründen auch immer, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten. In den Niederlanden oder auch in Dänemark sind solche Entwicklungen durch viel strengere Vorschriften praktisch ausgeschlossen. Insofern muss von einem politischen Willen in Deutschland ausgegangen werden, der die herrschenden Zustände für richtig befindet.
Auf der anderen Seite besteht der vollkommen legitime Anspruch der Neu-EU-Bürger, nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Zu Recht wird gefordert, dass auch Ihnen der Zugang zu den mit dem EU-Beitritt erreichbar gewordenen Quellen des Wohlstandes zugänglich gemacht werden muss, dass es sich hier um keine Einbahnstraße handeln darf. Westliche Unternehmen haben zwar in den Beitrittsstaaten viel investiert, wodurch nicht nur vor Ort Arbeitsplätze geschaffen wurden, manche lohnintensiven Betriebe auch nach Osten verlagert wurden, sondern auch massenhaft Arbeitsplätze in Westeuropa, nicht zuletzt in Deutschland, gesichert bzw. neu geschaffen werden konnten. Das scheinen viele Menschen in den EU-15-Staaten für selbstverständlich zu halten, denn kritisiert wird ausschließlich das "Lohndumping" der Osteuropäer. Die Zwänge unter denen sie leiden und die das mögich machen, bleiben weitgehend tabuisiert.
Und ein Drittes ist ebenfalls in Erwägung zu ziehen. Diejenigen Länder, die ihre Arbeitsmärkte geöffnet haben, zählen zu den dynamischsten, innovativsten und wachstumsstärksten Ländern Europas. Zugleich ziehen sie die mobilsten und klügsten Köpfe an, die diesen Ländern weitere Vorteile verschaffen. Insofern wäre auch zu problematisieren, ob eine Abschottungspolitik, wie sie auch die Bundesrepublik Deutschland verfolgt, auf längere Sicht wirklich die klügere Politik darstellt. Auf der anderen Seite könnte eine Politik der offenen Märkte zu einem "brain drain" aus Osteuropa führen, der diese Länder langfristig auf den Status einer verlängerten Werkbank reduzieren könnte. In Westeuropa wären massive soziale und ökonomische Kämpfe, die Wohlstand, soziale Sicherheit und Freiheit bedrohen könnten, auch nicht auszuschließen.
Über diese und weitere Aspekte, die sich aus der EU-Erweiterung für die Arbeitsmärkte ergeben, wollen wir auf dieser Veranstaltung mit Fachleuten diskutieren.





 

Referenten

Torsten Christen
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), Referat Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, Bonn

Janusz Grzyb
Stellvertretender Leiter der Abteilung Europäische und Multilaterale Beziehungen, Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Warschau

Elmar Hönekopp
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

Heinz Michael Horst
Pressesprecher der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), Oberfinanzdirektion Köln

Reiner Perau
Referatsleiter Europa, DIHK Berlin

Frank Schmidt-Hullmann
Leiter der Abteilung Internationales und Europäische Baupolitik, IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU),
Frankfurt a. M.

Moderation:

Detlef Fechtner
Frankfurter Rundschau


 

 

Termin:

Dienstag, 27. September 2005, 19.00 Uhr

 



Veranstaltungsort

DGB Gewerkschaftshaus, Wilhelm-Leuschner-Saal A, Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77, Frankfurt




 

 


Veranstalter

Heinrich-Böll-Stiftung Hessen e. V.

Gefördert mit Mitteln der Europäischen Kommission aus ihrem Programm "Erweiterung 2004" im Projekt "Nachbarschaften in Europa: In neuen Grenzen mit gemeinsamen Perspektiven"  

In Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung