Vortrag mit Podiumsdiskussion

 

Greencard für Dienstmädchen?

Zur Schattenseite der Dienstleistungsgesellschaft



Montag, 28. Mai 2001, 20.00 Uhr
Bügertreff Gutleut,
Frankfurt am Main

  
  

Programm | Veranstaltungsort 

 

Thema

Dienstmädchen, Kindermädchen, Haushaltshilfen und Putz- und Pflegefrauen übernehmen in zunehmendem Maß die Versorgungsarbeit des modernen Haushalts. Im Techno-Zeitalter zu Beginn des 21. Jahrhunderts prägen die "domestic helpers" in vergleichbarer Anzahl das Haushaltsleben, wie das bereits vor über 100 Jahren der Fall war. Eine Tätigkeit, die spätestens seit dem zweiten Weltkrieg aus dem Berufsregister gestrichen wurde, bekommt also wieder eine zunehmende Aktualität und Brisanz.

Allerdings sind die Haushaltshilfen von heute größtenteils Migrantinnen, Frauen aus Osteuropa, Asien und Lateinamerika, die in die Zentren der wohlhabenden Welt auswandern, um von dort aus das (über-)Leben ihrer Familienangehörigen zu organisieren, ein Ausdruck der Feminisierung von Migration und der Globalisierung des internationalen Arbeitsmarktes.

Frauen in den westlichen Industriestaaten sind mittlerweile in großer Zahl erwerbstätig, ohne dass die erforderlichen Veränderungen bezüglich der Organisation von Erwerbsarbeit, der Einstellungen, der Organisation von Kinderbetreuung usw. erfolgt sind. Die Verantwortung für die Versorgungsarbeit wird weiterhin überwiegend Frauen zugeschrieben und führt in dieser Situation verstärkt zur Suche nach Haushalthilfen im privaten Bereich. Umgekehrt finden viele Migrantinnen lediglich in diesem informellen Sektor noch eine Arbeitsmöglichkeit.
Einige sprechen in diesem Zusammenhang von "zwei strukturell bedingten Notlagen unterschiedlicher Gruppen von Frauen, die aufeinander treffen", während andere diese Entwicklung als "Refeudalisierung" bezeichnen.

Die neue Dienstmädchenfrage birgt sehr viele unterschiedliche Facetten: Fragen wie die nach einer Neubestimmung der Achse von ”öffentlich und privat und nach einer Neubewertung von Berufs- und Versorgungsarbeit in unserer Gesellschaft sind genauso angesprochen wie die Frage nach den kulturellen Transferleistungen dieser Form der Migration oder nach den Arbeits- und Lebensbedingungen der "domestic workers".

Auffallend ist jedenfalls, dass sich bisher weder die Wissenschaft noch die Politik ausreichend mit diesem Phänomen und den damit verbundenen Problemen und Gestaltungsaufgaben auseinandersetzen, obwohl es ganz offensichtlich einen großen gesellschaftlichen Bedarf an Hilfe, vor allem bei Kinderbetreuung und Altenpflege gibt, der nicht ausschließlich, aber überwiegend durch Migrantinnen gedeckt wird. 

In Italien beispielsweise werden inzwischen fast ein Drittel aller Arbeitsgenehmigungen an Hausangestellte erteilt. In Deutschland werden nach Berechnungen des Volkswirtschaftlers Friedrich Schneider allein von sogenannten Illegalen in Privathaushalten 5,5 Mrd DM zum Bruttosozialprodukt erwirtschaftet. Der Bereich der häuslichen Dienstleistungen müsste also genauso ein Thema für die Zuwanderungskommission sein wie die IT-Branche oder die Bauwirtschaft.

Braucht es also eine Green Card für Dienstmädchen ? Geht es darum, aufenthaltsrechtliche und arbeitsrechtliche Mindeststandards auch für diesen nicht-öffentlichen Bereich zu schaffen, wie es beispielsweise das Anliegen von RESPECT, eines europäischen Netzwerks ausländischer Hausangestellter ist ? Wie könnte in der Grauzone zwischen Illegalität und Legalität eine sinnvolle politische Gestaltung aussehen?

Auf der Veranstaltung sollen diese Aspekte und Fragen aus der Sicht der Frauen- und Migrationsforschung, aus der Sicht der konkreten Beratungspraxis, aus der Sicht der Politik und aus europäischer Perspektive beleuchtet und diskutiert werden.
 

 
Programm

   

Vortrag

Zur neuen Dienstmädchenfrage im Zeitalter der Globalisierung

Helma Lutz, Privatdozentin an der Universität Münster, Koordinatorin des Projekts der Internationalen Frauenuniversität (ifu) zur neuen Dienstmädchenfrage

Podium:

Judith Rosner, agisra, Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e.V., Frankfurt am Main, dort in der psychosozialen Beratung tätig
Bettina Hartmann, Referentin von Christa Nickels, Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, Berlin, Autorin der Studie "Illegal in Berlin"
Barbara Eritt, In Via, Berlin, Mitgliedsorganisation von RESPECT (European Network of Migrant Domestic Workers) 
Helma Lutz, Universität Münster

Moderation:
Marianne Braig, Hochschullehrerin für Internationale Beziehungen an der J.W.G.-Universität Frankfurt am Main

 

 
Veranstaltungort:

Bürgertreff Gutleut,
Rottweiler Str. 32
60327 Frankfurt am Main
(Nähe Hauptbahnhof bzw. Baseler Platz)

Termin:
Montag, 28. Mai 2001
20.00 Uhr

 

Information:

Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie (HGDÖ)
Landesstiftung der Heinrich-Böll-Stiftung
Niddastr. 64
60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069/ 23 10 90
FAX: 069/23 94 78
Email: info@hgdoe.de