Vortrag mit Podiumsdiskussion
Greencard für Dienstmädchen?Zur Schattenseite der Dienstleistungsgesellschaft |
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Dienstmädchen, Kindermädchen, Haushaltshilfen und Putz- und Pflegefrauen übernehmen in zunehmendem
Maß die Versorgungsarbeit des modernen Haushalts. Im Techno-Zeitalter zu Beginn des 21. Jahrhunderts
prägen die "domestic helpers" in vergleichbarer Anzahl das Haushaltsleben, wie das bereits vor
über 100 Jahren der Fall war. Eine Tätigkeit, die spätestens seit dem zweiten Weltkrieg aus dem Berufsregister gestrichen wurde, bekommt also wieder eine zunehmende
Aktualität und Brisanz.
Allerdings sind die Haushaltshilfen von heute größtenteils Migrantinnen, Frauen aus Osteuropa, Asien und Lateinamerika, die in die Zentren der wohlhabenden Welt auswandern, um von dort aus das (über-)Leben ihrer
Familienangehörigen zu organisieren, ein Ausdruck der Feminisierung von Migration und der Globalisierung des internationalen Arbeitsmarktes.
Frauen in den westlichen Industriestaaten sind mittlerweile in großer Zahl
erwerbstätig, ohne dass die erforderlichen Veränderungen bezüglich der Organisation von Erwerbsarbeit, der Einstellungen, der Organisation von Kinderbetreuung usw. erfolgt sind. Die Verantwortung für die Versorgungsarbeit wird weiterhin
überwiegend Frauen zugeschrieben und führt in dieser Situation verstärkt zur Suche nach Haushalthilfen im privaten Bereich. Umgekehrt finden viele Migrantinnen lediglich in diesem informellen Sektor noch eine
Arbeitsmöglichkeit.
Einige sprechen in diesem Zusammenhang von "zwei strukturell bedingten Notlagen unterschiedlicher Gruppen von Frauen, die aufeinander treffen",
während andere diese Entwicklung als "Refeudalisierung" bezeichnen.
Die neue Dienstmädchenfrage birgt sehr viele unterschiedliche Facetten: Fragen wie die nach einer Neubestimmung der Achse von
”öffentlich und privat und nach einer Neubewertung von Berufs- und Versorgungsarbeit in unserer Gesellschaft sind genauso angesprochen wie die Frage nach den kulturellen Transferleistungen dieser Form der Migration oder nach den Arbeits- und Lebensbedingungen der
"domestic workers".
Auffallend ist jedenfalls, dass sich bisher weder die Wissenschaft noch die Politik ausreichend mit diesem
Phänomen und den damit verbundenen Problemen und Gestaltungsaufgaben auseinandersetzen, obwohl es ganz offensichtlich einen großen gesellschaftlichen Bedarf an Hilfe, vor allem bei Kinderbetreuung und Altenpflege gibt, der nicht ausschließlich, aber
überwiegend durch Migrantinnen gedeckt wird.
In Italien beispielsweise werden inzwischen fast ein Drittel aller Arbeitsgenehmigungen an Hausangestellte erteilt. In Deutschland werden nach Berechnungen des Volkswirtschaftlers Friedrich Schneider allein von sogenannten Illegalen in Privathaushalten 5,5 Mrd DM zum Bruttosozialprodukt erwirtschaftet. Der Bereich der
häuslichen Dienstleistungen müsste also genauso ein Thema für die Zuwanderungskommission sein wie die IT-Branche oder die Bauwirtschaft.
Braucht es also eine Green Card für Dienstmädchen ? Geht es darum, aufenthaltsrechtliche und arbeitsrechtliche Mindeststandards auch für diesen
nicht-öffentlichen Bereich zu schaffen, wie es beispielsweise das Anliegen von
RESPECT, eines europäischen Netzwerks ausländischer Hausangestellter ist ? Wie
könnte in der Grauzone zwischen Illegalität und Legalität eine sinnvolle politische Gestaltung aussehen?
Auf der Veranstaltung sollen diese Aspekte und Fragen aus der Sicht der Frauen- und
Migrationsforschung, aus der Sicht der konkreten Beratungspraxis, aus der Sicht der Politik und aus
europäischer Perspektive beleuchtet und diskutiert werden.
Vortrag Zur neuen Dienstmädchenfrage im Zeitalter der GlobalisierungHelma Lutz, Privatdozentin an der Universität Münster, Koordinatorin des Projekts der Internationalen Frauenuniversität (ifu) zur neuen Dienstmädchenfrage Podium: Judith Rosner, agisra, Arbeitsgemeinschaft gegen internationale
sexuelle und rassistische Ausbeutung e.V., Frankfurt am Main, dort in der
psychosozialen Beratung tätig |
Bürgertreff Gutleut,
Rottweiler Str. 32
60327 Frankfurt am Main
(Nähe Hauptbahnhof bzw. Baseler Platz)
Termin:
Montag, 28. Mai 2001
20.00 Uhr
Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie (HGDÖ)
Landesstiftung der Heinrich-Böll-Stiftung
Niddastr. 64
60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069/ 23 10 90
FAX: 069/23 94 78
Email: info@hgdoe.de