Frankfurter Gespräch

 

 

Antisemitimus und Islam in Deutschland und Europa

 
 
30. 11. 2004
Frankfurt am Main

  
  

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Thema

In mehreren EU-Staaten nahmen in den Jahren 2002 und 2003 antisemitische Vorfälle und Gewalttaten z. T. erheblich zu. Vermutet wird, dass die Verschärfung des Nahost-Konflikts und insbesondere die Ereignisse in Dschenin und Bethlehem im April 2002 vor allem in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien mit einer Zunahme antisemitischer Äußerungen und Gewalttaten zusammenhängen.

Das Zentrum für Antisemitismusforschung war im Herbst 2002 von einer Behörde der EU (EUMC) mit einer Untersuchung zu Antisemitismus in Europa beauftragt worden, die u. a. auch ergeben hatte, dass unter muslimischen Jugendlichen mit arabisch-maghrebinischem Hintergrund in Ländern wie Frankreich oder Belgien antisemitisches Verhalten zunehme. Die Studie hat besondere Aufmerksamkeit hervorgerufen, da sie vom Auftraggeber EUMC zunächst unter Verschluss gehalten und erst nach einer presseöffentlichen Debatte schließlich auch offiziell veröffentlicht wurde.

Mittlerweile flammen nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland immer wieder Debatten um Antisemitismus und Islam auf, die unter unterschiedlichen Vorzeichen geführt werden.

So wurde beispielsweise anlässlich der OSZE-Konferenz zu Antisemitismus im April 2004 von einigen kritisiert, dass das Thema "islamischer Antisemitismus" nicht
aufgegriffen wurde. Des weiteren gab es anlässlich der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2004 Kritik am arabischen Länderschwerpunkt dahingehend, dass eine Reihe von Büchern auf Titeln, Umschlägen oder in Vorworten antisemitisch seien.

Beim interkulturellen Rat in Deutschland, der den interreligiösen Dialog unterstützt, erlebt man einerseits wachsendes Interesse von Muslimen an Kontakten zu jüdischen Gemeinden, gleichzeitig hätten die muslimischen Verbände andererseits zunehmend mit latentem Antisemitismus zu kämpfen.

In der Debatte geraten dabei oft die Grenzen zwischen legitimer Kritik an der Politik Israels, verschiedenen Formen von Israelfeindlichkeit und Antisemitismus ins Schwimmen. Es ist aber genau zu fragen, was Antisemitismus eigentlich ist, wann aus Kritik an Israel Antisemitismus wird und ob es einen "neuen Antisemitismus" in Europa gibt.

In Fortsetzung der Debatte auf dem Jour Fixe zum Thema "Der Nahost-Konflikt und Kritik an Israel" im letzten Jahr soll dieses Frankfurter Gespräch sich u. a. mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern der Nahost-Konflikt und seine Medienpräsenz bei uns und in anderen europäischen Ländern einen Mobilisierungseffekt auf latent vorhandene antisemitische Einstellungen ausübt.


Zitate:

"Spät reagiert die politische Klasse auf einen Anstieg insbesondere gewalttätiger Übergriffe auf Juden, die in engem Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt stehen…. Öffentliche Debatten zeigen, dass die legitime Kritik an der aktuellen israelischen Politik eine Grenzlinie überschreiten kann, indem antisemtitische Stereotypen bis weit in die Mitte der Gesellschaft Eingang finden in die Argumentation…. Aufgrund der Pluralität von Akteuren und Motiven entspricht die Verteilung antisemitischer Manifestationen nur teilweise denjenigen früherer Jahre…. Die Entwicklung in einigen EU-Ländern legt den Schluss nahe, dass es heute legitim, manchmal sogar en vogue erscheint, eine anti-israelische Haltung einzunehmen. Damit schleichen sich antisemitische Denkstrukturen mehr und mehr in den öffentlichen und privaten Diskurs ein und werden von Gesellschaft, Politik und Presse seltener thematisiert und kritisiert. Auf diese Weise steigt die Akzeptanz antisemitischer Stereotype unbemerkt an."

Juliane Wetzel "Antisemitismus in Europa. Zur Aktualisierung eines alten Phänomens", in: pogrom (Zeitschrift der Gesellschaft für bedrohte Völker) 223/1, 2004


"Antisemitische Anschläge sind weltweit zur mörderischen Realität geworden…. Wir, mehrheitlich Menschen mit türkischem und kurdischem Hintergrund, sehen uns in der Verantwortung, unsere Abscheu gegen antisemitischen Terror öffentlich kundzutun…. In Deutschland, dem Land des Holocaust, artikuliert sich der Antisemitismus wieder offen…. Der Antisemitismus wächst auch in Teilen der nichtdeutschen Communities. Es ist ein Skandal, dass Menschen, die sich als Juden zu erkennen geben, in Kreuzberg oder Neuköllln Angst haben müssen. Wir, migrantische Berlinerinnen und Berliner, finden diesen Zustand unerträglich…."

Aus dem Protestaufruf der Migrantischen Initiative gegen An-tisemitismus gegen die al-Quds-Demonstration, 21.11. 2003


 

 

 

 
ReferentenInnen

Juliane Wetzel
Zentrum für Antisemitismusforschung, Ber-lin, zus. mit Werner Bergmann Autorin der offiziell zunächst nicht veröffentlichten Stu-die "Manifestations of Antisemitism in the European Union - First Semester 2002 - Syn-thesis Report" im Auftrag der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), Wien

Hayrettin Aydin
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen mit den Schwerpunkten "Islam in der Migration" und "Verhältnis von Islam und Politik", bis vor kurzem Stiftung Zentrum für Türkeistudien, Essen, zus. mit Faruk Sen Autor von "Islam in Deutschland"


 

 

Termin:

Dienstag, 30. November 2004, 20.00 Uhr

 



Veranstaltungsort

Bürgerhaus Gutleut, Rottweiler Str. 32, Frankfurt am Main
(ca 7 Min. zu Fuß vom Hauptbahnhof,
Nähe Baseler Platz)