Diskussionsveranstaltung
Staat, Religion Kopftuch |
|
|
Thema | ReferentInnen | Termin | Veranstaltungsort
In den Debatten um das Kopftuch fließen verschiedene Diskussionsebenen und Fragen ineinander, deren Ungelöstheit zum Teil auch die Heftigkeit erklärt, mit der diese Debatten geführt werden:
· Erstens die Frage, wie das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland gestaltet werden soll, einem Staat, der weder laizistisch ist wie Frankreich noch eine so enge Verbindung zwischen Staat und (Staats-) Kirche aufweist wie etwa Großbritannien.
· Zweitens die geschlechtsspezifische Dimension und die Frage, ob dem Kopftuch ein besonderer Symbolgehalt zugeordnet werden kann und wenn ja, welcher.
· Drittens die Frage, wie unsere Gesellschaft die notwendige Auseinandersetzung mit antidemokratischen und anti-emanzipatorischen Minderheiten führt, die es sowohl unter Muslimen als auch in der Mehrheitsgesellschaft gibt.
Das sogenannte Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 hat zu einer neuen Dynamik in der öffentlichen Diskussion geführt, die teilweise ihren Gegenstand aus dem Blick zu verlieren droht.
In dem mit einer knappen Mehrheit gefällten Urteil wurde entschieden,
dass ein
generelles Verbot für Lehrkräfte, im Unterricht öffentlicher
Schulen ein Kopftuch zu tragen, keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage
im geltenden Recht finde. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt,
dass der Symbolgehalt des Kopftuchs nicht eindeutig sei, sondern unterschiedliche
Deutungen zulasse.
Das Gericht zeigt in seiner weiteren Begründung verschiedene Wege auf:
Zum einen spräche nach BVerG vieles dafür, die neue religiöse
Vielfalt unserer Gesellschaft in die Schule aufzunehmen, zur Einübung gegenseitiger
Toleranz zu nutzen und so einen Beitrag im Bemühen um Integration zu leisten.
Zum anderen eröffnet das BVerG den zuständigen Landesparlamenten auch
die Möglichkeit, den mit der religiösen Pluralität verbundenen
gesellschaftlichen Wandel der Bundesrepublik zum Anlass zu nehmen, das Ausmaß
religiöser Bezüge in der Schule generell neu zu bestimmen, und zwar
unter Beachtung der Gleichbehandlung aller Religionen/ Religionsgemeinschaften.
D.h. das Bundesverfassungsgericht eröffnet damit letztendlich den Weg zu
einer strikteren Trennung von Staat und Religion
Inzwischen sind in einigen CDU-regierten Bundesländern Gesetzentwürfe vorgelegt worden, die unter explizitem Bezug auf eine "christlich geprägte abendländische Tradition" ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen beinhalten. In Hessen hat die CDU-Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Verbot des Tragens von "islamischen Kopftüchern" nicht nur für Lehrerinnen, sondern auch für alle Beamtinnen vorsieht.
Eine Reihe anderer Bundesländer sehen derzeit keinen Handlungsbedarf und verweisen darauf, dass es bisher keine praktischen Probleme gäbe, die nicht mit den bestehenden Regelungen gelöst werden könnten.
Von Seiten der bündnisgrünen Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg
und Niedersachsen wurden eigene Gesetzentwürfe vorgelegt, die grundsätzlich
religiöse und weltanschauliche Symbole in Schulen zulassen und für
konkrete Konfliktfälle bestimmte Regelungsverfahren vorsehen.
Allerdings gibt es auch innerhalb der Grünen wie innerhalb der Muslime
und innerhalb der Gesellschaft insgesamt kontroverse Meinungen in der sogenannten
Kopftuchfrage, wie zahlreiche öffentliche Briefe und Aufrufe dokumentieren.
Die Veranstaltung knüpft an die aktuellen Debatten an und stellt dabei
verschiedene Sichtweisen zur Diskussion.
Prof. Dr. Ute Gerhard
Profesorin für Gesellschaftswissenschaften/ Frauenforschung, Universität
Frankfurt a.M.
Priska Hinz
MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen
im hessischen Landtag, Wiesbaden
Dr. Neval Gültekin
Sozialwissenschaftlerin, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Frankfurt a.M.
Moderation: Angela Kleiner, HR/ARD-aktuell, Frankfurt a.M.
Mittwoch, 24. März 2004, 20.00 Uhr
Ka Eins, Ökohaus
Kasseler Str. 1 a, Frankfurt am Main
S-Bahn-Linien S3, S4, S5, S6 bis Haltestelle Frankfurt West/ Westbahnhof