Ungarn – Orbán forever?

György Dalos im Gespräch
06.05.2022, Frankfurt

Alle Mitgliedsländer in der Europäischen Union haben das gemeinsame Recht (acquis communautaire) und die Kopenhagener Kriterien akzeptiert, d.h. institutionelle Stabilität als Garantie für Demokratie, Rechtsstaat und Minderheitenschutz. Viel ist in der EU von „unseren gemeinsamen Werten“ die Rede, doch tritt mittlerweile deutlich zu Tage, dass es kein gemeinsames Verständnis von den demokratischen Freiheitsrechten gibt. Allenthalben gelingt es Rechtspopulisten, die Entfremdung zwischen Volk und Eliten zu brandmarken und Stimmung gegen „das System“ zu mobilisieren. Für alle Krisenerscheinungen macht ihre nationalistische und souveränistische Agitation „Brüssel“ verantwortlich. Die Speerspitze dieser Tendenzen ist Ungarn. Victor Orbán ging nach und nach dazu über, Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz massiv einzuschränken. Der Begriff „illiberale Demokratie“, den sich seine Politstrategen ausgedacht haben, führt in die Irre. In Wirklichkeit wurde die Demokratie in ein autoritäres System umgewandelt. Die Zeitschrift „Osteuropa“ kam schon 2018 zu dem Schluss, Ungarn könnte in seiner heutigen Verfassung nicht mehr Mitglied der EU werden, da es die Kopenhagener Kriterien nicht erfüllt.

Wer nun geglaubt hatte, Orbáns dauernde Angriffe gegen die liberale westliche Demokratie in der EU und seine unverhohlene Kumpanei mit Vladimir Putins Autokratie werde nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine seine Abwahl bewirken, sah sich am Wahlabend des 3. April 2022 eines Schlechteren belehrt. Gegen die gesamte vereinigte Opposition gelang es Orbáns Partei Fidesz, 135 der 199 Sitze im Parlament zu erringen und sich damit die seit 2010 bestehende Zweidrittelmehrheit aufs Neue zu sichern.

Der Kampf des autoritär agierenden Staates gegen die schwache Opposition geht weiter. Dabei ist die Entrechtung der innenpolitischen Gegner so effektiv, dass man kaum noch auf eine Rückkehr zu freiheitlichen Verhältnissen zu hoffen wagt.

György Dalos begleitet die Entwicklung Ungarns seit Jahrzehnten mit seinen Büchern – vom stalinistischen Terrorregime, über den „Gulaschkommunismus“, den Aufbruch zur Freiheit 1989 bis zum Autoritarismus heute. „Das System Orbán. Die autoritäre Verwandlung Ungarns“ heißt das jüngste Buch des renommierten Schriftstellers und Historikers.

Im Gespräch mit Bruno Schoch (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt/Main) werden Fragen und Probleme der jüngeren ungarischen Geschichte näher beleuchtet und der Frage nachgegangen, ob es einen Ausweg aus der autoritären Gegenwart geben kann und wird.

Die Veranstaltung findet in Präsenz statt und wird gleichzeitig über YouTube gestreamt.

Gespräch mit:

György Dalos Schriftsteller und Historiker

Bruno Schoch Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt/Main

Ungarn – Orbán forever?
György Dalos im Gespräch
Gespräch
Freitag, 06. Mai 2022, 19:00 Uhr
Instituto Cervantes, Staufenstr. 1, Frankfurt/Main
Kooperationspartner
Eine Veranstaltung der Horvath-Stiftung Mörfelden-Walldorf, der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen und des Börsenvereins des deutschen Buchhandels in Kooperation mit dem C.H.Beck Verlag.