Kongreß

 

Mehr Demokratie wagen?

Perspektiven direkter Demokratie 
in der "Berliner Republik"

 




Sonntag, 14. November 1999
Bürgerhaus Gutleut, Frankfurt am Main

 

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Thema

Direkte Demokratie – als Ergänzung des parlamentarischen Repräsentativsystems – hatte seit Gründung der Bundesrepublik keinen guten Ruf. Mit dem (sachlich falschen) Verweis auf die Erfahrungen der Weimarer Republik und ihrer Abqualifizierung als „Prämie für Demagogen„ (Theodor Heuss) konnte die Forderung nach plebiszitären Elementen immer wieder in die Bedeutungslosigkeit gedrängt werden. Auch Anfang der Neunziger konnte die nach der Wiedervereinigung berufene Verfassungskommission die Vorschläge zu mehr direkter Demokratie noch souverän ignorieren.

Diese Situation hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Fast läßt sich von einer Renaissance der Ideen für mehr direkte Demokratie sprechen. Auf lokaler, regionaler und nun auch zunehmend Bundesebene streiten Bürgerinitiativen erfolgreich für die Einführung von Volksentscheiden. Laut Umfragen möchten zwei Drittel der Deutschen bei strittigen Sachthemen direkt befragt werden.

Ursache hierfür ist sicherlich auch der gesellschaftliche Wandel, der mit Individualisierung und Wertewandel umschrieben wird. Die Individualisierung hat zu einer radikalen Pluralisierung politischer Präferenzen geführt, die sich immer weniger durch Parteien bündeln und umfassend repräsentieren lassen. Darüber hinaus hat der Wertewandel den Wunsch nach Mitwirkung und Mitbestimmung beständig stärker werden lassen. Offensichtlich kann das politische System diesem Wunsch jedoch nicht entsprechen. Die Ergänzung des Repräsentativsystems durch Formen direkter Demokratie wird daher von vielen als angemessene Antwort gesehen. Direkte Demokratie soll von der „Zuschauer-„ zur „Teilnahmedemokratie„ führen und so Politikverdrossenheit überwinden helfen.

Neben diesem Stimmungswandel haben sich auch die realpolitischen Chancen der direkten Demokratie verbessert. Die rot-grüne Regierungskoalition hat die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid fest vereinbart. Freilich benötigt sie hierfür eine 2/3-Mehrheit im Parlament. Doch auch die CDU/CSU ist in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Volksentscheiden – zumindest seit sie in der Opposition ist– nicht mehr so eindeutig wie bisher. Mit der Unterschriftensammlung gegen di eReform des Staatsbürgerschaftsrechts simulierte sie bereits selbst ein Plebiszit. Und manch einer in den Unionsparteien spielt gar mit dem Gedanken, der Einführung von Volksentscheiden zuzustimmen.

Wie steht es also heute um die Chancen der direkten Demokratie? Dieser Frage will der Kongreß nachgehen, indem er Möglichkeiten und Grenzen der direkten Demokratie erörtert und ihren Perspektiven in der „Berliner Republik„ nachgeht.
 
 

 
    

Programm
 

 10.30

Begrüßung 

Ute Schädler (Vorstand HGDÖ, Frankfurt a.M.) 

10.45 

Einleitungsvortrag 1:

  Gesellschaftlicher Wandel, Krise der repräsentativen Demokratie und die Perspektiven direkter Demokratie

Referent:
Christian Welzel (Politikwissenschaftler, Wissenschaftszentrum Berlin)

11.15

Einleitungsvortrag 2:

   „Gender Gap“ in der Demokratie - Geschlechterverhältnis und direkte Demokratie

Referentin:
Barbara Holland-Cunz (Professorin für Politikwissenschaft, Justus-Liebig-Universität, Giessen)

   

11.45 Kritische Nachfragen

Referent:
Ludwig Hasler 
(Stellvertr. Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Weltwoche“, Zürich) 

anschließend Diskussion 

Moderation: Birgit Laubach 
(Rechtsanwältin u. Justitiarin, Beirat der HGDÖ,  Frankfurt a.M.)   

13.00 Mittagspause

14.00 Drei  parallele Foren:
(je Forum zwei ReferentInnen / Statements)
  

 

 

 

 

Forum 1: 
  Direkte Demokratie – eine Chance für neue Politik?

Referenten: 
Andreas Gross (Politikwissenschaftler, Schweizer Nationalrat, Zürich)
Andrea Maihofer (Politikwissenschaftlerin, Universität Erfurt) (angefragt)

Moderation: Britta Kurz 
(Vorstand Mehr Demokratie e.V., Stuttgart)

In der Parteiendemokratie obliegt den Parteien die politische Steuerung der Gesellschaft. Dabei tendieren sie zu bürokratischen Organisations- und Handlungsformen, die zur Dominanz von Machtinteressen, kurzfristiger Erfolgsorientierung und Selbstgenügsamkeit führen. Der Kontakt zur Gesellschaft wird so porös, Impulse aus der Gesellschaft bleiben außen vor und können nicht wirkmächtig werden. Die Einführung plebiszitärer Elemente könnte die Situation ändern. Die Thematisierungs- und Einflußmöglichkeiten von NGO’s und anderen gesellschaftlichen Gruppen würden gestärkt werden. Läge hier nicht auch die Chance für eine neue Politik? Müßten sich so nicht auch die Parteien wieder mehr zur Gesellschaft öffnen? Hätten dadurch nicht auch Konzepte der Nachhaltigkeit die Chance, sich gegenüber den kurzfristigen, an Legislaturperioden orientierten Perspektiven durchzusetzen? Könnte hier nicht ein neues Feld für Agenda21-Prozesse entstehen? Bekäme nicht auch die Frauenpolitik einen einflußreichen Ort jenseits der Parteien, die immer noch männerdominiert sind? Oder ist die Hoffnung auf eine neue Politik nicht doch eine Überschätzung der direkten Demokratie? Diesen Fragen wird vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen nachgegangen.

 

  

 

 

 

 

Forum 2: 

  Direkte Demokratie in der Mediengesellschaft

Referenten: 

Hans J. Kleinsteuber 
(Professor für Politikwissenschaften und Journalistik, Universität Hamburg), 
 
Werner A. Meier 
Lehrbeauftrager am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich)

Moderation: Mathias Fechter (Geschäftsführer HGDÖ)

 Direkte Demokratie lebt von öffentlichen Debatten, die eine gründliche Sachauseinandersetzung ermöglichen. Nur so kann vermieden werden, daß es zu emotionalisierten und populistischen Entscheidungen kommt. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Medien. Sie ermöglichen erst politische Öffentlichkeit.

Die Massenmedien werden jedoch immer weniger der Komplexität und Realität von Politik gerecht. Der Wettlauf um Aktualität und Aufmerksamkeit fördert „Häppchen-Journalismus“ und Sensationsorientierung. Politik wird – besonders durch die Inszenierungslogik des Fernsehens – personalisiert und auf Symbolik reduziert. Die Darstellung komplexer Zusammenhänge tritt so in den Hintergrund.

Was bedeuten diese Tendenzen für Verfahren der Direkten Demokratie? Wie könnte dem politisch entgegengesteuert und mehr Sachorientierung der Medien erreicht werden? Durch welche Strategien könnte die Inszenierungslogik der Massenmedien unterlaufen werden? Welche Möglichkeiten des Agenda-Settings haben NGO’s? Welche neue Rolle könnte das Internet spielen? Diese Fragen stehen im Zentrum dieses Forums.

   

 

 

 

 

 

 

 

Forum 3: 

  Direkte Demokratie – eine neue Rolle der Parteien?

Referenten: 

Thomas Meyer 
(Professor für Politikwissenschaft an der Universität Dortmund, Leiter der Akademie der Politischen Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung),
Jürgen Seifert (Jurist und Politikwissenschaftler, Hannover)  


Schon heute müssen Parteien „kampagnenfähig“ sein, wenn Sie gewinnen wollen. Die Kampagne der CDU gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrecht hat dies deutlich gezeigt. Kaum in der Opposition, haben die Christdemokraten die Möglichkeiten außerparlamentarischer Aktionsformen erkannt und die hessische Landtagswahl zu einem Plebiszit über ein Einzelthema umfunktioniert. Geschickt gelang es ihr, Stimmungen aufzugreifen und Öffentlichkeit für ihr Anliegen herzustellen. Wird hier bereits eine neue Rolle der Parteien vorweggenommen, die bei Einführung von bundesweiten Plebisziten erst recht zu erwarten ist? Wie würde sich durch Plebiszite der Charakter von Parteien verändern? Würde die populistische Orientierung an Stimmungen die Programmatik bestimmen? Oder wäre darin eine positive Öffnung gegenüber dem Wählerwillen zu sehen? Wie sähe eine moderne, den Verhältnissen der direkten Demokratie entsprechende Partei aus?

16.00 Kaffeepause

16.30

Abschlußdiskussion:

  Direkte Demokratie – ein Projekt der „Berliner Republik“?

 Mit:

Peter Altmaier (MdB, Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion)  
Daniela Dahn
(Schriftstellerin, Berlin) (angefragt)  
Matthias Berninger
(MdB, Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen)  
Dieter Wiefelspütz
(MdB, Vorsitzender der AG Inneres der SPD-Bundestagsfraktion)  
Tim Weber
(Vorstandssprecher „Mehr Demokratie e.V.)  

Moderation: 
 Birgit Laubach, Rechtsanwältin u. Justitiarin, Beirat der HGDÖ,  Frankfurt a.M.

 

18.30 Ende des Programms

 


   

ReferentInnen
 

  Peter Altmaier
Mitglied des Bundestages, CDU-Bundestagsfraktion, Saarbrücken

  Matthias Berninger
Mitglied des Bundestages, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kassel
eMail: kassel@berninger.com

  Daniela Dahn
Schriftstellerin, Peisträgerin des Tucholsky-Preises 1999, Berlin

  Mathias Fechter
Soziologe, Geschäftsführer der HGDÖ, Frankfurt a.M.
eMail: Mathias.Fechter@frankfurt.netsurf.de

   Andreas Gross
Politikwissenschaftler, Schweizer Nationalrat, Zürich
eMail: info@andigross.ch

  Ludwig Hasler
Stellvertr. Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Weltwoche„, Dozent an der Universität St. Gallen und der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, Zürich

 Barbara Holland-Cunz
Professorin für Politikwissenschaften, Justus-Liebig-Universität, Beirat HGDÖ, Gießen

  Hans J. Kleinsteuber
Professor für Politikwissenschaften und Journalistik, Universität Hamburg
eMail: hjk@sozialwiss.uni-hamburg.de

   Britta Kurz
Mitglied des Bundesvorstands von Mehr Demokratie e.V., Landesvorstand und Vertrauensfrau des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Baden-Württemberg", Stuttgart
eMail: demokratie@aol.com

   Birgit Laubach
Rechtsanwältin, Justitiarin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Beirat der HGDÖ,  Frankfurt a.M.
eMail: Birgit.Laubach@t-online.de

   Andrea Maihofer
Soziologin und Philosophin, Privatdozentin an der Universität Frankfurt; zur Zeit Vertretungsprofessorin an der Hochschule Erfurt

  Tim Weber
Vorstandssprecher „Mehr Demokratie e.V. , München
eMail: bayernbuero@mehr-demokratie.de

  Thomas Meyer
Professor für Politikwissenschaft an der Universität Dortmund, Leiter der Akademie der Politischen Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung
eMail:meyer@wap-mail.fb14.uni-dortmund.de

  Werner A. Meier
Lehrbeauftrager am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich
eMail: wameier@ipmz.unizh.ch

  Dieter Wiefelspütz
Mitglied des Bundestags, Vorsitzender der AG Inneres der SPD-Bundestagsfraktion, Lünen
eMail: dieter.wiefelspuetz@wk.mdb.bundestag.dbp.de

   Jürgen Seifert
Professor für Politikwissenschaften und Jurist, Hannover

  Christian Welzel
Politikwissenschaftler, Wissenschaftszentrum Berlin
e-Mail: welzel@medea.wz-berlin.de

 

Literatur zum Thema / Links

  Ulrich von Alemann
Die politischen Parteien, die Medien und das Publikum

  Ekin Deligöz
Das Volk weiß genau, was es will. 
Aber direkte Demokratie braucht eindeutige Spielregeln

  Reiner Eichenberger
Bessere Wirtschaftspolitik durch direkte Demokratie. 
Die Schweiz als Beispiel für die Vorteile der direkten Demokratie für die Wirtschaftspolitik

  Susanne Fischer
Der Geist aus der Flasche. Immer mehr Bürgerverlangen direkte Mitsprache - 
doch deren Folgen sind durchaus umstritten

  Susanne Fischer
Stimme des Volkes. Die Deutschen haben die direkte Demokratie entdeckt: 
Volksentscheide überall. Doch unmittelbare Entscheidungen bedeuten nicht bessere Politik

  Andreas Gross
Direkte Demokratie in Gliedstaaten der USA

  Andreas Gross
Föderalismus und direkte Demokratie.
Acht Impulse aus der Schweizer Verfassungsgeschichte 
des 19. Jahrhunderts für den europäischen Verfassunggebungsprozess

  Ludwig Hasler
Das überschätzte Plebiszit.
Die Schweiz kennt Risiken und Nebenwirkungen direkter Demokratie

  Uwe Jean Heuser, Gero von Randow, Ute Watermann
Jetzt werden wir direkt. Überall fordern Bürger Volksabstimmungen. 
Die Zeit ist reif für mehr Demokratie

  Otmar Jung
Direkte Demokratie in Deutschland. Tendenzen seit 1989

  Tim Juretzki
Back to Greece? Dem Internet wird fast alles zugetraut. 
Kann es aber aus unserem politischen System eine direkte Demokratie machen?

   Hans J. Kleinsteuber
Elektronische Demokratie:
Visionen einer technischen Erneuerung des politischen Systems?

  Konzept: Abstimmen per Internet


   Pro und Kontra direkte Demokratie

  Thomas Rupp
Full-Service Democracy. 
Das Bild der amerikanischen Direktdemkratie ist zwiespältig


   Zeitschrift für direkte Demokratie
Immer mehr Politiker für Volksentscheide. Umfrage im Bundestag

  Koalitionsvereinbarung 
zwischen derSozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/DIE GRÜNEN

  Blickpunkt Bundestag
"Volksgesetzgebung" verlangt. DieFraktion der PDS plädiert für die Einführung eines dreistufigen Verfahrens

  Volksbegehren „Mehr Demokratie in Deutschland"

Bündnis90/Die Grünen im Bundestag (13.Wahlperiode)
   Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksantrag, 
Volksbegehren und Volksabstimmung im Grundgesetz

  Mehr Demokratie e.V.

 

Informationen
 

Kosten:

Die Teilnahmegebühr beträgt DM 35,00, ermäßigt DM 20,00.
In dem Betrag sind ein Mittagessen, Kaffee und Kuchen enthalten.

Bitte die Teilnahmegebühr auf folgendes Konto überweisen:
Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie
Stichwort: Demokratie
Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00, Kto.: 3320400
 

Tagungstermin: Sonntag, 14. November 99, 10.30 Uhr bis 18.30 Uhr
 

Anmeldung & weitere Informationen:

Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie e.V.
Landesstiftung der Heinrich-Böll-Stiftung
Niddastr. 64, 60329 Frankfurt a.M.
Tel.: 069-231090, Fax: 069-239478
info@hgdoe.de
 
 
   

 

 

Veranstaltungsort

Haus Gutleut

Rottweiler Str. 32
60327 Frankfurt am Main

Nächste Station: Ffm.-Hauptbahnhof

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